Pflegebedarf im Sinne des MDK

Aus Familienwortschatz
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Mit Pflegebedarf wird im Sinne des MDK die Summe der Tätigkeiten in Minuten pro Tag oder einem anderen Zeitraum beschrieben, bei denen eine teilweise oder vollständige Unterstützung einer Person durch Dritte erforderlich geworden ist oder beabsichtigt ist.

individueller Pflegebedarf bei der Pflegeversicherung

Der individuelle Pflegebedarf eines Menschen wird auf Antrag im gesetzlich beschriebenen Rahmen der Pflegeversicherung vom MDK (Medizinischer Dienst der jeweiligen Kasse) als Prüfgröße ermittelt.

In seinem Gutachten stellt der MDK fest, ob ein Mensch im Sinne des Gesetzes "pflegebedürftig" ist, weil diese Person Pflegeleistungen über einen festgelegten Mindestumfang hinaus benötigt.

Auf Basis dieses Gutachtens erfolgt die Eingruppierung in einer Pflegestufe. Nach der Einstufung in eine Pflegestufe erhalten Versicherte/Patienten Leistungen aus der Pflegeversicherung. Leistungen aus der gesetzl. oder privaten Krankenversicherung werden davon nicht berührt.

Vgl. Details zur Pflegeversicherung.


Pflegebedarf einer Person oder einer Gruppe

Der individuelle Pflegebedarf einer Person im Rahmen der Pflegeversicherung wird vom Medizinischer Dienst also zunächst nur überschlägig ermittelt.

Zusammenfassend kann aber (wissenschaftlich) auch eine ganze Gruppe von Menschen betrachtet werden, deren Bedarf in Zukunft erfüllt werden soll. Dann handelt es sich um eine Planungsgröße, für die Schätzwerte angenommen werden. Davon werden Aussagen zum künftigen Bedarf an Pflegepersonal oder an Geld etc. abgeleitet.
Beispiel: "der Pflegebedarf von 2 Mio. Personen, die in Zukunft an einer Demenz erkrankt sein werden". Schon an der Formulierung des Beispiels und den erforderlichen Annahmen dafür wird schon das Problem solcher Abschätzungen offenbar, dass das Krankheitsbild gar nicht so uniform sein wird, wie es die Annahme suggeriert. Auch sind die künftigen Rahmenbedingungen unbekannt, in denen einmal zu pflegen sein wird. All das umgeht die Abschätzung, weil sie ja zunächst nur eine Grundlage für jetziges, aktuelles politisches Handeln bieten will.

Oder es wird der Arbeitsaufwand beschrieben, der bereits erfüllt wurde. Dann kann daraus eine durchschnittliche Rechengröße abgeleitet werden, die in Zukunft um so mehr zutrifft, je homogener der Bedarf der Personengruppe ist, von der die Rede ist.
Beispiel: "der Pflegebedarf von allen Personen, die Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II – stationär – im Jahr 2003 erhalten haben". So eine große Personengruppe ist nicht homogen. Das wäre auch schon bei 20 Personen in einem einzelnen Heim so. Aber die große Anzahl täuscht statistikgewöhnten LeserInnen eine Zuverlässigkeit der Durchschnittszahl vor, die es in der Praxis gar nicht geben kann. Die Durchschnittsgröße aus 200 000 Betroffenen darf nicht mit dem durchschnittl. Tagesbedarf einer Einzelperson verglichen werden, wenn es um die Zuweisung von Personalkapazitäten geht. Jedenfalls nicht dann, wenn der Kostenträger davon keine Abweichung aufgrund von aktuellem Bedarf zulassen will. Und um solche Fragen dreht es sich jeweils bei Verhandlungen um Pflegesätze.


Messung oder Abschätzung

Eine theoretische Größe des Pflegebedarfs beschreibt die Summe der Tätigkeiten, bei denen eine teilweise oder vollständige Unterstützung durch Dritte erforderlich wird. Es kann sich dabei nur um eine Schätzung anhand von Erfahrungswerten für die erwarteten Tätigkeiten handeln. Es kann sich auch um eine Selbsteinschätzung der betroffenen Person und ihrer Familie handeln. Die Größe bleibt theoretisch, weil im wirklichen Leben eine Bestimmung auch durch mehrfache Zeitmessungen nicht exakt vorgenommen werden kann. Die gegebene oder vorenthaltene Unterstützung beruht auf der (aktuellen) Einschätzung der Pflegenden, was die gepflegte Person selbständig tun kann/will. Dabei kann es sich jeweils um eine Unterschätzung oder Überforderung handeln.
Deshalb ist es methodisch besser, von einem tatsächlichen Pflegebedarf auszugehen. Dabei werden vereinbarte und tatsächlich durchgeführte pflegerische Arbeiten erfasst. Dies gilt nicht nur für die Einschätzung bei einer Person. Natürlich treten dabei methodisch die entsprechenden Fehler auf. Sie werden durch die andere Definition allerdings als bekannt vorausgesetzt.

Auch die Personalbemessung für alle KundInnen/BewohnerInnen eines Bereiches/einer Einrichtung hat vom tatsächlichen Pflegebedarf auszugehen. Dabei werden Vergangenheitswerte als Prognoss auf die Zukunft übertragen. Das ist die Summe der Arbeitszeiten des Pfegepersonals, die . . .

  1. zur Erfüllung der bewohnerindividuellen Pflegebedarfe notwendig sind (also je nach dem für Anleitung oder Übernahme von Basisaktivitäten und die Behandlungspflege im ärztl. Auftrag) erforderlich sind
  2. dabei eine näher zu bestimmende Reservekapazität berücksichtigt, um evtl. auf tgl. oder gelegentlich wechselnde Bedürfnisse eingehen zu können – Stichwort Menschenwürde
  3. zur individ. Lebensgestaltung (im Sinne von Freizeit, Teilnahme an sozialen Aktivitäten (auch außerhalb der jeweiligen Institution) nachvollziehbar wünschenswert erscheinen
  4. zur dazugehörenden Pflegeprozess-Steuerung (inkl. Dokumentationen und zur Abstimmung mit anderen therapeutischen Berufsgruppen) und
  5. zur Erledigung der erforderlichen administrativen Aufgaben (im Rahmen des Vertragsverhältnisses) führen.

Arbeitszeit und Anwesenheit der Pflegekraft bei einer zu pflegenden Person(oder eine Gruppe) decken sich dabei nicht zu hundert Prozent. Der Arbeitsprozess erfordert Vorbereitungs- und Bereitstellungszeiten, die nicht direkt an die zu pflegende Person gebunden sind. Z. B. Übergabebesprechungen, Urlaub der Mitarbeitenden.
Pflegebedarf, der nur Anwesenheitszeiten berücksichtigt, würde den alten Menschen zu einem Gegenstand erklären, an dem Arbeiten beliebig vorgenommen werden, und das Pflegepersonal zu Maschinen, die beliebig ein- und abgestellt werden können.

Bei der individuellen Pflege in der häuslichen Umgebung erscheinen diese Vorbereitungs- und Bereitstellungszeiten als direkt dem Arbeitsverhältnis mit der einen gepflegten Person zurechenbare Zeiten. Allerdings mit dem Nachteil, dass zufällig auftretende positive oder negative Abweichungen von der durchschnittlichen Bandbreite dieser Zeiten auch direkt auf die Kostenrechnung dieser einen Person durchschlagen.
Bspl: Wird eine der drei zur Rund-um-die-Uhr-Versorgung beschäftigten Pflegenden länger krank, muß die gepflegte Person als Arbeitgeber dieses Risiko durch Anstellung einer „Aushilfe“ sofort selbst tragen. Umgekehrt wird es als „Glücksfall“ zu beschreiben sein, wenn in einem Jahr nicht einmal Ausfallzeiten der Angestellten durch banale Infektionskrankheiten auftreten.


Erläuterung zu einzelnen Zeitanteilen

zum bewohnerindividuellen Pflegebedarf

Setzt sich aus Anleitung oder (teilw.) Übernahme von Basisaktivitäten und der Behandlungspflege im ärztl. Auftrag gemäß der erstellten Pflegeplanung zusammen. Dabei werden unterschiedliche Leistungskapazitäten der gepflegten Person und das von ihr verfolgte Pflegeziel berücksichtigt. Zeitwerte aus Pflegestandards können die Planung vereinfachen aber nicht ersetzen.

zur Reservekapazität

Es muss berücksichtigt werden, dass die Pflegenden evtl. auf tgl. oder gelegentlich wechselnde Bedürfnisse eingehen. Das müssen sie können, um die Menschenwürde der gepflegten Person zu respektieren. Die Bandbreite dieser notwendigen Flexibilität in der Versorgung von Grundbedürfnissen kann zwischen verschiedenen Personen sehr unterschiedlich sein. In der Pflegeplanung wäre es wahrscheinlich möglich Erfahrungswerte dafür zu berücksichtigen.

zu Zeiten für d. individ. Lebensgestaltung

Jeder Mensch hat nach dem Grundgesetz und auch nach dem Pflege-Verständnis des in der Pflege verbreiteten ATL-Konzepts das Recht Freizeit in seinem Sinne zu gestalten, auch durch Teilnahme an sozialen Aktivitäten. Es kann im Einzelfall schwierig sein festzulegen, wer die daraus erwachsenden Kosten zu übernehmen hat. Aber die Freiheit auch zur Teilnahme außerhalb der jeweiligen Institution ist eben das Gegenteil von einer weg-geschlossenen Unterbringung in einem Gefängnis oder dem psychiatrischen Maßregelvollzug.

zur Pflegeprozess-Steuerung

  • Siehe bei Pflegeplanung, die bei einer zum Vergleich herangezogenen Auftragsvergabe an Handwerker etwa den Beschreibungen im Kostenvoranschlag entspricht.
  • inkl. Pflegedokumentationen
  • inkl. all den Abstimmungsprozessen mit anderen therapeutischen Berufsgruppen (ÄrztInnen, Physiotherapeuten etc.)

zu den administrativen Aufgaben

Zu einem Arbeitsvorgang in der Pflege gehören unterschiedliche administrative Tätigkeiten. Sie werden häufig für den Wohnbereich / die Station zusammengefasst erledigt. Das kann evtl. auch von einer Person erledigt werden, die selbst nicht in die direkte Pflege eingebunden ist (Stationsassistentin, Stationsleitung).


Wortwahl und Begriff

Die Wortwahl Pflegebedarf ist berechtigt, weil es dabei nicht um Arbeitszeit von Personen geht, die eine zusätzlich wünschenswerte Dienstleistung anbieten, die von KundInnen frei wählbar wäre. Vielmehr ist die Situation überwiegend durch eine Krankheit oder Behinderung (evtl. multiple Kombination daraus) geprägt, die die zu pflegende Person von der Erbringung der Pflege -zumindest zeitweise- abhängig macht.

Die Pflegeversicherung geht in ihrer dem Gesetz zu Grunde liegenden Definition zumindest von einem längeren Zeitraum als sechs Monaten der Abhängigkeit von Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung aus. Allerdings ist es nicht Ziel des Gesetzes(PVG), alle diese Leistungen zu erfassen oder zu vergüten. Es soll mit der Einstufung in eine der fünf Gruppen (Null bis Drei S) nur eine grobe Zuordnung ihrer Unterstützungsbeiträge vorgenommen werden. Eine Abdeckung oder der Ersatz der gesamten erforderlichen oder sinnvoller Weise darüber hinaus zu erbringenden Leistungen war mit dem Gesetz nicht beabsichtigt.

Siehe auch


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