Einbeziehung von Pflegenden und Angehörigen bei Therapieverzicht

Aus Familienwortschatz
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Jeder hat das Recht auf seinen eigenen Tod

Während die Menschheit früher Ängste vor dem Tode hatte, tritt in unserer modernen, ruhelosen, materiell und egoistisch geprägten Gesellschaft die Angst vor Sterben, Siechtum und Entwürdigung in den Vordergrund. „Die Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, ist verlorengegangen“, schreibt Nina von Hardenberg, in Süddeutsche Zeitung, 5. Juli 2008 - und das nicht zu unrecht. Die Gesellschaft des langen Lebens ist längst zur Realität geworden. Medizin und Pflege haben sich weiterentwickelt, Lebenserhaltung steht im Vordergrund aller Bemühungen. Die Frage ist, wie lange ist das sinnvoll und humanitär vertretbar? Heute stellt sich nicht selten die Frage der Bezahlbarkeit.

Marc Aurel wird der Ausspruch „Jeder hat das Recht auf seinen eigenen Tod“ zugeschrieben. Diese Aussage ist heute aktueller denn je. Aber: ist Sterbehilfe der Ausweg? Allerdings ist es eine idealistische Position angesichts des nicht selbst bestimmten-Sterbens von vielen Personen, die über längere Zeit im Koma liegen oder durch eine Krankheit nicht mehr in der Lage sind, ihren Willen über die ärztliche Behandlung festzulegen.

Papst Johannes Paul II. sagte am 24. März 2002: "Die Komplexität des Menschen fordert bei der Verabreichung der notwendigen Heilmethoden, dass man nicht nur seinen Körper berücksichtigt, sondern auch seinen Geist. Es wäre anmaßend, allein auf die Technik zu setzen. Und in dieser Sicht würde sich eine Intensivmedizin um jeden Preis bis zum Letzten schließlich nicht nur als unnütz erweisen. Sie würde auch nicht völlig den Kranken respektieren, der nun an sein Ende gelangt ist." (zit.: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Dezember 2006)

Was ist Sterbehilfe?

Wikipedia definiert den Begriff der Sterbehilfe als „…die von einem Menschen bewusst gewollte Unterstützung durch eine andere Person bei der Herbeiführung des eigenen Todes“.Weiter siehe:Sterbehilfe Doch Mediziner und Juristen sind sich oft nicht einig: Bei unheilbar Kranken bedeutet der Abbruch einer künstlichen Beatmung juristisch eine passive, also erlaubte Sterbehilfe. In einer Befragung von Ärzten und Juristen sahen Dres. Birgitt van Oorschot und Alfred Simon eine weit verbreitete Unkenntnis: 42% der Mediziner und 36% der Richter werteten den Behandlungsabbruch als aktive Sterbehilfe. (Quelle: Psychologie&Gesellschaftskritik 2/3-2008, S. 39-54)

Die Gesellschaft für Humanes Sterben ist für eine tolerante Ethik des Sterbens.


In diesem Artikel soll unter Sterbehilfe die passive Sterbehilfe (Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, künstliche Beatmung usw.) und die indirekte Sterbehilfe (medikamentöse, mit einer unbeabsichtigten Beschleunigung des Sterbens einhergehende Schmerzlinderung) verstanden werden, die auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten eingeleitet wird.

Jenseits jeder juristischen Diskussion findet Sterbebegleitung (begleiten: mit jemanden mitgehen) im Krankenhaus innerhalb jeder Sterbesituation statt, sie ist somit auch unverzichtbarer Bestandteil der passiven Sterbehilfe.

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Die Situation im Krankenhaus

Fragt man Ärzte und Gesundheits- und Krankenpfleger ob sie Situationen kennen, in denen ein Therapieabbruch wegen „medizinischer Nutzlosigkeit“ sinnvoll gewesen wäre, dann wird diese Frage bejaht.

Nach einer Studie der Uni Basel bekannten sich 76 Prozent der Ärzte und 86 Prozent der Pflegekräfte dazu, sich diese Fragen schon öfter gestellt zu haben.

Dass es in der Praxis jedoch kaum zur Einstellung der Therapie kommt, liegt daran, dass durch die Ärzte der Zeitpunkt zur Entscheidung nicht selten verpasst wird. Gründe hierfür sind mangelnde Information, eingeschränkte Kooperation (auch mit den Angehörigen) und unterschiedliche Standpunkte der Fachgebiete. Auch ist es die Angst etwas zu unterlassen, die das Zögern verursacht. Junge Ärzte mit mangelnder Berufserfahrungen haben es auf diesem Gebiet besonders schwer. Man macht sich also in keinem Falle die Entscheidung über einen Therapieabbruch leicht!

Durch ihre große Nähe zum Patienten und die dadurch bedingte höhere emotionale Beteiligung, haben Fachpflegekräfte evtl. ein „feines Gespür“ für das Nahen des Todes. Daher könnte die Sichtweise der Pflegekräfte eine große Rolle spielen, denn sie sind deutlich länger pro Schicht am Patientenbett als Ärzte.

Auf Intensivstationen mit guter Observation sind es acht Stunden pro Schicht. Fachpflegekräfte für Intensivpflege haben in Deutschland eine zusätzlich zweijährige berufsbegleitende Fachweiterbildung absolviert und verfügen häufig über eine längere klinische Erfahrung als Ärzte. Sie sind oft über den Willen des Patienten und der Angehörigen besser informiert als Ärzte. Diese kommen in eine Konfliktsituation, wenn Verwandte eine Fortsetzung „medizinisch sinnloser“ Maßnahmen fordern.

Gerade in der Intensivmedizin ist es die „Team- und protokollorientierte Behandlungsorganisation“ die der traditionellen, hierarchischen, arztzentrierten Behandlungsorganisation deutlich überlegen ist. Grundlage dieser Organisationsform ist immer eine gute Zusammenarbeit aller an Therapie und Pflege Beteiligten, auch bezüglich einer eventuellen Therapieabbruch-Entscheidung (siehe: Teamwork in der Intensivmedizin).

Auch ein anderes Problem bedarf einer differenzierten Betrachtung: Beispielsweise wird ein sonst alleinstehendes altes Paar den jeweils anderen Partner keinesfalls früher sterben lassen wollen, da jeweils der andere Partner schon lange zur Lebensaufgabe wurde.

Daraus folgt, dass Entscheidungen zur passiven Sterbehilfe möglichst von den Angehörigen mit getragen werden müssen und die emotionale sowie pflegerische Kompetenz der Fachpflegekräfte in die Entscheidung mit einfließen sollte.

BGH-Urteil 2010

In einem Grundsatzurteil (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof 2 StR 454/09) vom 25. Juni 2010 hat der Bundesgerichtshof die Selbstbestimmung des Patienten gestärkt und dadurch auch die juristische Sicht auf die passive Sterbehilfe genauer definiert. Die Richter des 2. Strafsenats begründeten die Entscheidung vor allem mit dem neuen Gesetz zur Patientenverfügung, das seit dem 1. September 2009 inkraft ist. Sie entschieden, dass der Abbruch lebenserhaltender Behandlungen nicht strafbar ist, wenn ein Patient dies in einer Verfügung festgelegt hat, da der Wille des Patienten zu beachten sei. Die Patientenverfügung könne auch auf mündlichem Wege erfolgen.[1] Der Behandlungsabbruch erfolgte im entschiedenen Fall nicht durch den Arzt sondern durch eine dritte Person (eine Tochter), die der Beratung durch einen Rechtsanwalt folgte.

Siehe auch

Zitate, Quellen


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