Literaturarbeit: Gesundheitsförderung in der Pflege

Aus Familienwortschatz
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Literaturarbeit: "Gesundheitsförderung in der Pflege" von Andreas Kocks, 2005

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Einführung

Gesundheit ist eines der zentralen Themen der aktuellen Gesundheitspolitik. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklungen und dem sich vollziehenden Struktur- und Wertewandel der Gesellschaft in Deutschland bekommt Gesundheit eine neue Bedeutung. Diese Entwicklung hat die Politik erkannt und versucht durch Gesetzgebungen und begleitende politische wie auch gesellschaftliche Diskussionen, die Bedeutung von Gesundheit zu unterstreichen. Die Ausarbeitung zum Präventionsgesetz, das sich aktuell auf dem Weg der politischen Verabschiedung befindet, sind hierzu beispielhaft anzuführen. Es verdeutlicht den Paradigmenwechsel in Deutschland von einem auf Kuration und Behandlung ausgerichteten Gesundheitswesen, hin zur Betonung von Gesundheit, Gesundheitsförderung und Prävention. Die Pflegeprofession gliedert sich in diese Entwicklung ein. Als mit Abstand größte Gruppe unter den Gesundheitsberufen ist hier ein großes Potential zu sehen. Pflege verfügt in dem einzelnen Versorgungssetting über den häufigsten bzw. zeitintensivsten Kontakt zu Patienten . Trotzdem sind Prävention und Gesundheitsförderung für die Pflege immer noch ein weitläufiges, schwer zu fassendes Thema . In seiner konzeptionellen Ausgestaltung und Umsetzung von praktischen Handlungsansätzen hat die Gesundheitsförderung in der Pflege bisher eine nachrangige Bedeutung . Die mit dem neuen Krankenpflegegesetz verabschiedete erweiterte Berufsbezeichnung zum/zur Gesundheits- und KrankenpflegerIn ist in diesem Sinne ein Auftrag von Politik bzw. Gesellschaft an die Pflege, sich mit dem Thema Gesundheit und dessen Pflege neu auseinander zu setzen. Der Verknüpfung von Pflege und Gesundheitsförderung, steht die Vorstellung von Pflege als der letzten Instanz in der Versorgungskette entgegen. Deutlich wird dies unter anderem in dem Grundsatz Prävention und Rehabilitation vor Pflege aus dem SGB XI oder der Bezeichnung von Prävention, als der vierten Säule im Gesundheitswesen, neben der kurativen Medizin, der Rehabilitation und der Pflege. Trotz der bisherigen Umsetzungsprobleme eines gesundheitsorientierten Pflegeverständnisses, kann der Bereich Gesundheit eine weitere Möglichkeit der Professionalisierung der Pflege sein. Die Frage ist, ob Pflege Gesundheitsförderung als Aufgabe der Profession annimmt und wie sie diese theoretisch und praktisch umsetzt.


Zielsetzung und Vorgehen

Ziel ist es, die aktuellen Zusammenhänge von Gesundheitsförderung und Pflege in Deutschland näher zu betrachten. Vor dem Hintergrund des sich in Deutschland abzeichnenden Paradigmawechsels in der Gesundheitsversorgung, hin zu einem an Gesundheit orientiertem Versorgungssystem, möchte ich folgende Punkte hierzu herausarbeiten:

  1. Welchen Stellenwert hat die Pflege als Profession im Kontext der Gesundheitsförderung?
  2. Welche Konzepte werden verfolgt?
  3. Werden Hindernisse für eine pflegerische Gesundheitsförderung gesehen?
  4. Zukünftige Möglichkeiten der pflegerischen Gesundheitsförderung.
  5. Methodisches Vorgehen

Für die Recherche wurden Veröffentlichungen aus den Jahren 2000 bis 2005 miteinbezogen, in Einzelfällen wurden zur Hintergrundanalyse auch ältere Standardwerke mitverwendet. Die Recherche wurde mit Hilfe der Literaturdatenbanken Dimdi®, Gerolit®, Care Lit®, CINAHL® sowie der Internet-Suchmaschine google und yahoo durchgeführt. Als Suchbegriffe wurden verwendet: Gesundheitsförderung, Prävention, Pflege, health promotion. Die gefundene Literatur wurde in einer ersten Sichtung hinsichtlich ihres Bezuges zur Pflegeberuf und zur Fragestellung gesichtet. Es zeigte sich, wie später noch auszuführen ist, dass die Begrifflichkeiten zum Thema Gesundheitsförderung nicht einheitlich verwendet werden. Insofern bedurfte es einer Erweiterung der Suchbegriffe um die Schlagwörter Prävention und Prophylaxe, um auch diese Begriffe hinsichtlich ihres pflegerischen Bezuges und der unscharfen Abgrenzung zur Gesundheitsförderung mitzuerfassen. Erweitert wurde die Recherche während der Textbearbeitung durch Hinweise der dort angegeben Quellen, um insbesondere die nicht eindeutige Begrifflichkeit näher beleuchten zu können.

Grundlagen der Gesundheitsförderung

Begriffliche Klärungen

Gesundheit

Gesundheit ist als Grundlage für Wohlbefinden, soziale Integration, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität eine wichtige Voraussetzungen des Lebens. Sie ist nicht nur allein ein Produkt oder Zustand, sondern selbst Ressource, um den vielfältigen Anforderungen des Lebens gerecht zu werden. In diesem Sinne ist Gesundheit von einem hoher, individuellen wie auch gesellschaftlichen Wert, der sowohl Aufgabe des Individuums als auch Gegenstand öffentlichen und politischen Interesses ist. Die Interpretation des Gesundheitsbegriffes hat in den letzten Jahrzehnten bedeutende Veränderungen erfahren. Wurde Gesundheit zunächst als die Abwesenheit von Krankheit definiert, so ist heute anerkannt, dass Gesundheit weit mehr umfasst. Individuelle Vorstellungen von Gesundheit werden unter anderem durch Kultur, ethnische Zugehörigkeit, sozioökonomischer Status, Religion und Geschlecht beeinflusst. Die medizinische Definition konzentriert sich auf die Funktion der Körperorgane und die Abwesenheit von Krankheit. Sozialwissenschaftler betrachten Gesundheit dem gegenüber als die Fähigkeit eines Menschen innerhalb der soziokulturell determinierten Gebräuche und Normen zu funktionieren. Heiler sehen Gesundheit als die Fähigkeit des Einzelnen, eine harmonischen Balance zwischen Körper, Geist und Seele herzustellen.

Dem Verständnis von Gesundheit kommt im Rahmen der Gesundheitsförderung, eine zentrale Bedeutung zu. Als allgemeiner Begriff ist Gesundheit mit einer großen Bandbreite von Bedeutungen belegt, die von fachlichen Inhalten bis zu moralischen oder philosophischen Bedeutungsinhalten reichen. Das Gesundheitsverständnis bestimmt die Gesundherhaltung und die ihm zugrunde liegenden verschiedenen Handlungsansätze der Gesundheitsförderung . Mehrheitlich wird hierzu auf die Definition der WHO (1946) zurückgegriffen. Sie beschreibt Gesundheit als den „Zustand völligen körperlichen, geisteigen und sozialem Wohlbefinden und nicht nur als die Abwesenheit von Krankheit“. Die sich hier ausdrückende subjektive Dimension des Wohlbefindens geht über eine Charakterisierung von Gesundheit durch rein biologisch-medizinische Kriterien hinaus.

Die Ausführungen des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen greifen die Definition der WHO für die deutsche Gesundheitspolitik auf. Sie erweitern sie jedoch um physischen, psychischen und sozialen Aspekte von Gesundheit. Damit wird einen Zusammenhang von Gesundheit und der Möglichkeit zu gesellschaftlicher wie auch sozialer Teilhabe verdeutlicht. Mobilität und Selbständigkeit gelten in diesem Sinne als bedeutende Merkmale von Gesundheit und fließen entsprechend in die Ansprüche an zu entwickelnden Präventionszielen ein . Einige Autoren vertreten den Standpunkt, dass Gesundheit ganzheitlich zu verstehen ist und unterschiedliche Dimensionen umfasst (Aggleton & Homanns 1987, Ewles & Simnett 1999, Kruse 2002). Ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit bedeutet, dass die unterschiedlichen Einflüsse aller Dimensionen wie Umwelt, Gesellschaft, Emotionalität, Psyche, Physis etc. und auch ihre Wechselwirkungen untereinander zu berücksichtigen sind. In diesem Sinne erweitert Kruse (2002) die Definition von Gesundheit noch einmal um alltagspraktische und emotionale Bezüge . Die Begriffe Prävention und Gesundheitsförderung weisen in der internationalen wie nationalen Literatur keine einheitliche Verwendung auf . Sie werden stellenweise synonym gebraucht und erscheinen vielfach austauschbar und unscharf. Da sie jedoch unterschiedliche Konzeptionen und Strategien beschreiben, ist eine Trennung nötig, wie sie nachfolgend zu entwickeln ist.


Prävention

Im allgemeinen beschreibt Prävention eine gegenwärtige Maßnahme, mit der man zukünftige unangenehme oder unerwünschte Zustände zu vermeiden versucht. Übertragen auf den Kontext Gesundheit und Krankheit bedeutet dies:

Prävention versucht als gezielte Interventionsmaßnahme das Auftreten von Krankheit oder unerwünschte physische oder psychische Zuständen weniger wahrscheinlich zu machen, bzw. zu verhindern oder zumindestens zu verzögern .

Hurrelmann (2004) sieht in diesem Zusammenhang den Ansatz der Prävention beim Krankheitsrisiko der die Pathogenese in den Vordergrund stellt. Als Prävention sind demnach alle Interventionen zu bezeichnen, die sich auf Risikogruppen mit klar erwartbaren, erkennbaren oder bereits im Ansatz eingetretenen Anzeichen von Störungen und Krankheit richten . Anders als die Kuration setzt die Prävention somit zeitlich vor dem Auftreten einer Krankheit an. Je nach Zeitpunkt werden verschiedene Präventionsarten unterschieden:

Primärprävention:

  • Maßnahmen vor dem Auftreten eines unerwünschten Zustandes wie einer Erkrankung und der Vorbeugung und Früherkennung bestimmter Risikofaktoren, Ziel ist die Krankheitsvermeidung. Ein Beispiel ist die Impfung.

Sekundärprävention:

  • Maßnahmen der Krankheitsfrüherkennung und Krankheitseindämmung durch Diagnose und Behandlung von Patienten im Frühstadium. Ziel ist, die Ausbreitung und Dauer von Krankheit zu reduzieren. Ein Beispiel sind die Massen-Sreenings wie die Prostatauntersuchung.

Tertiärprävention:

  • Maßnahmen der möglichst weitgehenden Wiederherstellung von Funktionsfähigkeit und Lebensqualität nach bzw. bei einer Erkrankung. Ziel ist die Schwere von Krankheiten und deren Auswirkungen von Funktionseinschränkungen, Begleiterkrankungen und Folgeschäden zu reduzieren. Synonym ist auch die Bezeichnung Rehabilitation

Der Bericht der Enquete-Kommission zur Situation und Zukunft der Pflege in NRW zeigt die Problematik einer engen Definition der Tertiärprävention auf, da die Behandlung einer Erkrankung gleichzeitig auch die Prävention eines Folgeschadens sein kann . Als Beispiel wird die Hypertonie- oder im Kontext der Pflege die Dekubitusbehandlung angeführt. Auf gesetzestextlicher Seite findet sich der Begriff der Prävention in SGB V, in SGB VII, in SGB IX sowie in SGB XI.


Prophylaxe

Im Kontext von Gesundheitsförderung und Prävention findet sich in pflegebezogener Literatur oft der Begriff der Prophylaxe. Dieser lässt sich als sehr pflegespezifische Begriff nicht eindeutig von der Prävention abgrenzen. Auch die Prophylaxe beschreibt Maßnahmen der Vorbeugung/Prävention. In der Pflege ist der Begriff der Prophylaxe sehr verbreitet (z.B. Pneumonieprophylaxe, Dekubituspropylaxe), wird aber zusehends durch die Bezeichnung Prävention ersetzt (z.B. Sturzprävention).


Gesundheitsförderung

Bis in die 80er Jahre bezeichnete die heutige Gesundheitsförderung Maßnahmen der Gesundheitsaufklärung, Gesundheitserziehung (health education) und Gesundheitsbildung als Teilgebiete der Präventivmedizin und allgemeinen Bildung. Erst schrittweise setzte sich der übergreifende Begriff der Gesundheitsförderung durch, ohne jedoch eine einheitliche Klärung dessen zu geben, was er genau umfasst. 1985, als der Begriff bereits breite Anwendung fand, bezeichnete Tannahil (1985) ihn immer noch als nichts sagend, weil er in unterschiedlichen Weisen genutzt wird. Yeo (1993) bezeichnete jede Intervention, die darauf abzielt, Menschen zu befähigen, ihre Gesundheit positiv zu beeinflussen als Gesundheitsförderung. Downie, Tannahill und Tannahill (1996) warnen allerdings vor einer solchen allgemeinen Definition, die den Prozess der Gesundheitsförderung der Beliebigkeit aussetzt und Raum für Interpretationen in nahezu jede Richtung ermöglicht. Die unterschiedliche Auffassung dessen was Gesundheit ist, prägt bis heute das Verständnis der Gesundheitsförderung. Das Konzept der Gesundheitsförderung geht nach Hurrelmann auf Aaron Antonovsky und seinen Ausführungen zur Salutogenese zurück. Antonovsky sieht Gesundheit und Krankheit als zwei Pole eines Kontinuums zwischen denen sich der Mensch in seinem Leben bewegt. Das einwirkende Krankheitsrisiko und die personalen wie sozialen Schutzfaktoren des Menschen bestimmen seine Position zwischen diesen Polen. Die sich daraus für Antonovsky ergebende relevante Frage ist nicht nach dem was den Menschen krank macht, sondern was ihn trotz Risiken und Belastungen gesund erhält. In diesem Sinne setzt Gesundheitsförderung für Hurrelmann bei der Förderung dieser individuellen Schutzfaktoren bzw. Ressourcen an, die Gesundheit, Lebensqualität und Wohlbefinden steigern. Vielfach ist der heutige Gebrauch des Begriffes Gesundheitsförderung weitergehend, indem er nicht nur Maßnahmen zum Schutz vor Krankheiten bezeichnet, sondern auch Maßnahmen zur Verbesserung und Steigerung einer nie vollkommenen Gesundheit beschreibt . In diesem Sinne grenzt sich der Begriff der Gesundheitsförderung klar von der Prävention ab, die allein die Krankheitsvermeidung in ihrem Focus stellt. Die WHO beschreibt Gesundheitsförderung folglich als einen Prozess, zu dem nicht nur die Arbeit der politischen Veränderung und multisektoralen Zusammenarbeit gehört, sondern auch die Befähigung des Menschen, ein hohes Maß an Selbstbestimmung über seine Gesundheit zu erlangen und sie mit den notwendigen Mitteln für ihr Wohlbefinden auszustatten . Es wird deutlich, dass der Begriff der Gesundheitsförderung bis heute schwierig umfassend zu definieren ist, was parallelen zu der Problemen der Gesundheitsdefinition erkennen lässt..


Historische Einordnung der Gesundheitsförderung

Die Anfänge der heutigen Gesundheitsförderung liegen im 19.Jahrhundert und der Entwicklung der Öffentlichen Gesundheitsbewegung (public health). Krankheitsepidemien, in den damals überfüllten Industriestädten, zwangen zu ersten notwendigen sanitären Reformationen. Die damaligen Erfolge der Hygienemaßnahmen und Gesundheitsaufklärungen etablierten die Öffentliche Gesundheitsbewegung im 1. und 2. Weltkrieg. Auch die nachfolgende Gesundheitspolitik nutzte diesen Ansatz. Marc Lalonde, kanadischer Sozial- und Gesundheitsminister, brachte den Begriff der Gesundheitsförderung erstmals in den siebziger Jahren auf. Sein Konzept konzentrierte sich auf umwelt- und verhaltensbedingte Faktoren, sowie auf den Lebensstil als Determinante von Gesundheit und weniger auf biomedizinische Faktoren. Bei der Etablierung der Gesundheitsförderungsidee hat die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Schlüsselrolle. Sie hat die Bewegung von Public Health und der Gesundheitserziehung aufgegriffen und von der in Focus stehenden Krankheitsprävention hin zu allgemeine Gesundheit und Wohlbefinden weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang prägte die WHO den Sammelbegriff der Gesundheitsförderung, dessen heutiger Leitgedanke auf das WHO Programm „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“ aus dem Jahr 1978 zurück geht. In dieser Deklaration von Alma-Ata wurde das Ziel ausgegeben, allen Menschen bis zum Jahr 2000 ein Gesundheitsniveau zu ermöglichen, das ihnen ein soziales und wirtschaftliches Leben zu führen ermöglicht. Präzisiert wurde dieses Programm 1986 mit der Ottawa-Charta in der der Begriff der Gesundheitsförderung eng mit Selbstbestimmung und Wohlbefinden verknüpft wurde. Neben den Ärzten werden hier erstmals „andere Mitarbeiter im Gesundheitswesen“ thematisiert . Eindeutig wurde die Zuweisung der Gesundheitsförderung als Aufgabe der Pflege mit der WHO-Erklärung von München. Dort heißt es:

(...) dass den Pflegenden und Hebammen bei den gesellschaftlichen Bemühungen, die gewichtige Public-Health-Aufgabe unserer Zeit anzugehen und zugleich die Erbringung von hochwertigen, zugänglichen, effizienten und gegenüber den Bedürfnissen der Menschen aufgeschlossenen Gesundheitsdiensten sicherstellen, eine Schlüsselrolle zufällt, die zudem immer wichtiger ist.“ .

Die durch die WHO formulierten Ansätze von Gesundheitsförderung und Primary Health Care wurden für die Pflege international vom International Coucil of Nurses (ICN) aufgegriffen und weiter entwickelt. Der „ICN-Code for Nurses“ sieht die Grundsätze der Gesundheitsförderung und Prävention als grundlegende Verantwortlichkeit von Pflegefachkräften. Prinzipien und Programme wurden sowohl in Ausbildung, Leistungsplanungen und Leistungserbringung als auch in Praxis und Forschung eingebracht. Zudem wurden sie in Positionspapieren des ICN zu verschiedene Themenbereichen aufgenommen (ICN, Position statement).

In Anlehnung an diese internationalen Grundsätze der Gesundheitsförderung und Prävention, fanden Ansätze der Gesundheitsförderung auch in Deutschland Eingang in die im Kranken-, Altenpflege,- und Hebammengesetz formulierten Ausbildungsziele. Diese gesundheitspolitische wie auch berufspolitische Verantwortung der Pflege im Kontext der Gesundheitsförderung spiegeln die Europäischen Pflegekonferenzen von 1987 und 2000 in der direkten Bezugnahmen auf die europäische WHO-Politik. Durch die Betonung der Gesundheitsförderung in den ethischen Grundsätzen der Pflege des DBfK wird die Bedeutung der Gesundheitsförderung für die Pflegeprofession in Deutschland von Seiten des Berufsverbandes aufgegriffen und verdeutlicht. Die aktuelle Fassung des Krankenpflegegesetz (2004) unterstreicht mit seiner erweiterten Berufsbezeichnung zum Gesundheits- und Krankenpfleger und seiner Ausbildungszielen diese Entwicklung, auch wenn die des neuen Präventionsgesetzes (2005) Pflege als Profession nicht explizit erwähnt.

Pflegerische Gesundheitsförderung

Wie schon in der Einleitung und der historischen Einordnung der Gesundheitsförderung aufgezeigt, wird in der hier verwendeten Literatur eine enge Verbindung zwischen Gesundheitsförderung und Pflege gesehen. So sieht Schaeffer die Pflege nicht nur auf die Bewältigung von Krankheit und Hilfsbedürftigkeit reduziert, sondern im Sinne von health-promotion durchaus um die Aufgaben der Förderung vorhandener Ressourcen erweitert . Fichten geht sogar so weit, dass er Gesundheitsförderung als eine grundlegende Aufgabe sowie einen integralen Bestandteil professioneller Pflege begreift . Auch der Bericht der Enquete-Kommission „Situation und Zukunft der Pflege in NRW“ begreift Pflege in diesem Sinne ihrem Anspruch nach nur mit Gesundheitsförderung als denkbar .

Konzepte

Auch wenn die Pflegeprofession Gesundheitsförderung auf theoretischer Basis als Teil ihrer Aufgabe versteht, fehlt es jedoch an konkreten pflegetheoretischen wie auch pflegewissenschaftlichen Konzepten. Zu finden sind nur angedachte Fragmente einer pflegerischen Gesundheitsförderung, ohne eine gemeinsame Basis oder Zielsetzung, dessen Aussagen willkürlich und nicht schlüssig wirken. Im wesentlichen konzentrieren sich die pflegerisch orientierten Konzepte auf die Salutogenese und die aktivierende Pflege.

Salutogenese

Brieskorn-Zinke (2004b) greift in ihrem Buch „Gesundheitsförderung in der Pflege“ auf die konzeptionellen Grundlagen einer nach Aaron Antonovsky salutogenetisch orientierten Gesundheitsförderung zurück. Sie stellt die Stärkung des Kohärenzgefühls ins Zentrum der Pflege . Auch wenn eine signifikante Veränderung des Kohärenzgefühls im Erwachsenenalter nach Antonovsky nicht mehr möglich ist, kann von einer Erschütterung dieses Kohärenzgefühls in Krisensituationen, wie einer akuten oder chronischen Krankheit, ausgegangen werden. Dieses zu stabilisieren, ist für Brieskorn-Zinke eine mögliche Intervention einer auf Gesundheitsförderung ausgerichteten Pflege.


Die aktivierende Pflege

Als weitere Form der pflegerischen Gesundheitsförderung findet sich in Veröffentlichungen und Lehrbüchern immer wieder der Hinweis auf die aktivierende Pflege. Nach Kruse (2002) vertritt sie für ihn die Zielsetzung, Gesundheit, Selbständigkeit und körperliche sowie kognitive Leistungsfähigkeit so lange wie möglich aufrecht zu erhalten und ist somit als pflegerische Gesundheitsförderung zu betrachten .

Auch Winter und Kuhlmeyer (2002) knüpfen an das Konzept der aktivierenden Pflege an. Aktivierende Pflege beschreibt für Sie in zweifacher Hinsicht Prinzipien der gesundheitsförderlichen pflegerischen Arbeit. Pflegeleistungen werden als Hilfe zur Selbsthilfe angesehen, indem sie dem Pflegebedürftigen möglichst durchgängig die Gelegenheit geben, soviel wie möglich selbständig zu tun. Die Verbesserung bzw. Erhaltung der prinzipiellen Selbständigkeit in Abhängigkeit vom Grad der Pflegebedürftigkeit, wird durch aktivierende Hilfestellungen und Anleitungen der Pflege erhöht. Darüber hinaus umfasst nach Winter (2002) auch die kontinuierliche Wiederherstellung, Verbesserung oder der Erhalt einzelner Fertigkeiten dieses gesundheitsförderliche Prinzip der aktivierenden Pflegetätigkeit . Auch Hurrelmann (2004) greift die aktivierende Pflege in seinen Ausführungen zur Gesundheitsförderung in der Pflege auf. Er sieht sie aber in vielen Fällen als nicht der pflegepraktischen Realität in Deutschland entsprechend an, wie auch noch im Kapitel Umsetzungsproblemen näher auszuführen ist. So gibt es zwar in jedem Kontakt zwischen Pflegeperson und Gepflegtem die Möglichkeit der aktivierenden Pflege, diese Möglichkeit wird in Deutschland jedoch nur unzureichend wahrgenommen. Als Beispiel für die Dominanz einer eher passivierenden Pflege führt Hurrelmann die Mängelliste der stationären Altenpflege an, die auf Platz vier die passivierenden Pflege anführt . Der von Hurrelmann reklamierten unzureichend genutzten Möglichkeit der Gesundheitsförderung im Sinne der aktivierenden Pflege, steht der gesetzliche Anspruch der aktivierenden Pflege im Pflegeversicherungsgesetz entgegen.


Neue Ansätze

Erste neue Ansätze und Konzepte einer pflegerischen Gesundheitsförderung führt Kruse (2002) mit den zugehenden Angeboten der Pflegeprävention im Rahmen gesundheitsförderlicher Aufgaben auf Gemeindeebene an. Diskutiert wird in Deutschland in diesem Zusammenhang derzeit der präventive Hausbesuch zur Vorbeugung von Pflegebedürftigkeit, ausschließlich im Kontext ältere Menschen. Es handelt sich hierbei um eine individuelle Beratung im eigenem Heim, der Ältere in Bezug auf Ressourcen und Risiken von Selbständigkeit und Gesundheit beurteilt und berät. Diese sind, laut Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, in Deutschland bisher aber nur vereinzelt zu finden . In die selbe Richtung zielen neue Angebote der Wohnberatung. Sie haben jedoch ausschließlich die individuelle Anpassung des Wohnraumes an die jeweilige Pflegesituation im Focus, mit dem Ziel, den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu sichern.


Zielsetzungen

Das Ziel einer pflegerischen Gesundheitsförderung besteht in der Vorbeugung von Pflegebedürftigkeit und der Identifizierung pflegebedürftigkeitsfördernder Faktoren . So sollen Abhängigkeiten von Hilfe weitestgehend vermieden bzw. herausgeschoben werden, indem Kompetenzen zur Bewältigung des Lebensalltags auch bei bleibenden Beeinträchtigungen vermittelt werden. Ziel von Gesundheitsförderung und Prävention ist demnach die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Autonomie in der alltäglichen Lebensgestaltung der Menschen . Hurrelmann beschreibt die Zielsetzung von pflegerischer Gesundheitsförderung in einem weiteren, eher am Salutogenese Konzept orientierten Rahmen. Er sieht gesundheitsförderliche Pflege zielgerichtet auf gesundheitsförderliche Maßnahmen die Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität zu erhalten .


Handlungsfelder

Das Fehlen konkreter pflegetheoretischer und pflegewissenschaftlicher Konzepte einer Gesundheitsförderung durch die Pflege, trägt sich als Problem in die sich daraus ergebenden Handlungsfelder fort. Auch sie sind vage formuliert und orientieren sich meistens an der pflegerischen Praxis. Im wesentlichen konzentrieren sich die Handlungsfelder auf die Bereiche der Kompetenz- und Selbstständigkeitsförderung. Die sehr pflegespezifische Prophylaxe nimmt in diesem Zusammenhang eine Sonderrolle ein.


Prophylaxe

Pflegerische Gesundheitsförderung beschränkt sich derzeit meist auf die sehr spezifische Form der Prophylaxe. Als Sammelbegriff beschreibt sie pflegerische Maßnahmen der Krankheitsverhinderung im Sinne von Begleit- oder Sekundärerkrankungen. Als Beispiele sind hier die Pneumonie-, Thrombose- und Dekubitusprophylaxe anzuführen, die sich als zentrale Ausbildungsinhalte in allen gängigen Pflegelehrbüchern wiederfinden. Wie schon ausgeführt, ist die Prophylaxe eher als Sonderform der Prävention zu verstehen. Da die Begriffe der Prävention und Gesundheitsförderung jedoch oft synonym gebraucht werden, sei die Prophylaxe hier nur am Rande erwähnt.


Kompetenzförderung

Dem Anspruch und der Zielsetzung der allgemeinen Gesundheitsförderung folgend, ist die Stärkung der persönlichen Kompetenz auf unterschiedlichen Ebenen eine zentrale Vorraussetzung. Brieskorn-Zinke greift diesen Ansatz aus der Perspektive der Pflege auf. Sie stellt heraus, dass auch kranke oder gesundheitsgefährdete Menschen sich ihre eigenen Erfahrungen gesundheitsförderlich nutzbar machen können . Durch geplante, bewusste und konstruktiv begleitete Lernprozesse können Menschen sich aktiv mit ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit auseinander setzen. Dabei gilt es nicht nur, gesundheitliche Risiken zu mindern, sondern vor allem auch neue Fähigkeiten zu entdecken und zu entfalten. Ziel ist es, selbstbestimmt mit Erkrankung bzw. Einschränkung umgehen zu lernen. Hierzu kann Pflege nach Brieskorn-Zinke einen entscheidenden Beitrag leisten, da in jeder Interaktion zwischen Menschen und Pflege die Möglichkeit, Lernprozesse zu initiieren, enthalten ist . Winter greift diesem Verständnis folgend in seinem Artikel auf Gössling (1989) zurück. Für ihn vollzieht sich pflegerisches Handeln weniger am bzw. für den Patienten, sondern entwickelt sich erst mit ihm zusammen in der Interaktion . In diesem Sinne definieren sie auch Pflege als eine personenbezogene Dienstleistung, deren übergeordnetes Ziel es ist, die Selbständigkeit der Klienten zu erhalten bzw. so weit wie möglich wieder herzustellen.


Förderung der Selbständigkeit

Die Ausrichtung der Pflege auf eine Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Selbständigkeit steht im Focus der pflegerischen Gesundheitsförderung. Brieskorn-Zinke verweist in diesem Zusammenhang auf Ivan Illich, dem österreichisch-amerikanische Sozialphilosophen (1926-2002). Er setzt Gesundheit der Autonomie gleich. Nur in Gesundheit bzw. dessen Kontrolle, ist Autonomie / Selbständigkeit möglich. Die Abnahme der Eigenverantwortung für die Gesundheit durch Gesundheitsexperten und die zunehmende Medikamentalisierung des alltäglichen Lebens, bedeuten nach Illich Grund einen zentralen Verlust der Selbständigkeit der Patienten. Der sich hieraus ableitende Anspruch nach Patienteninformation und Kompetenzförderung, sieht Brieskorn-Zinke heute als anerkannte Erkenntnis in Deutschland etabliert und als auf die Pflege übertragen an.

Kompetenzförderung wie auch Patienteninformation dienen dem Ziel der Patientenautonomie. Sie ermöglichen Menschen, gesundheitsbezogene Ziele selber zu verfolgen, indem sie erworbene Fähigkeiten, soziale Regeln und Wissensbestände Sach- und Situationsgerecht einsetzen. Ziel einer auf Gesundheitsförderung ausgerichtete Pflege muss es folglich sein, Strategien des Einzelnen oder der Familien kennen zu lernen und verbessern bzw. entwickeln zu helfen. Es gilt nicht, wie auch Brieskorn-Zinke ausführt, ausschließlich Krankheitsrisiken zu mindern, sondern auch Potentiale und Fähigleiten neu zu entdecken . Brieskorn-Zinke sieht die Pflege hierzu in einer idealen Vorraussetzung, da in jeder menschlichen Interaktion das potential Lernprozesse zu initiieren und zu begleiten, enthalten ist. Als Berufsgruppe mit dem häufigsten und zeitlich umfangreichsten Kontakt zu Patienten ist hier eine günstige Vorraussetzung für gesundheitsförderliche Interventionen zu sehen . Auch der Bericht der Enquete-Kommission zur Situation und Zukunft der Pflege in NRW greift diese Potentiale auf. Er sieht die Erhaltung der Selbständigkeit körperlicher und seelischer Leistungsfähigkeit sowie der verbliebenen Gesundheit im Zentrum der pflegerischen Arbeit.

Die Förderung der Selbständigkeit bei der alltäglichen Lebensführung muss mit der Förderung von Ressourcen und Copingstrategien einhergehen. Vor dem Hintergrund der stetigen Zunahme chronischer Krankheiten und den damit oft verbundenen lebenslang bestehenden Beeinträchtigungen, erhalten vor allem Coping-/Lebensstrategien im Sinne der Alltagsbewältigung einen besonderen Stellenwert . Die Enquete-Kommission zur Situation und Zukunft der Pflege sieht diesen Ansatz der Coping-Strategien in der pflegerischen Patientenedukation umgesetzt . Als Ausdruck der Erhaltung der Selbständigkeit bzw. Autonomieförderung bietet sie individuelle, situationsgebundene Unterstützung und Beratung. Pflegerische Patientenedukation umfasst vorrangig drei Aktivitäten,

  • Informationen, die eine Orientierung zu gesundheitlichen Fragestellungen ermöglichen,
  • Schulungen als gezielte, strukturierte und geplante Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten,
  • Beratung im Sinne eines ergebnisoffenen, dialogischen Prozesses.

Ziel der Patientenedukation ist es individuelle an der Lebenswelt orientierte Problemlösung und Intervention zu finden. Erste Projekte der pflegebezogenen Patientenedukation sind in Deutschland im stationären Bereich im Patienten Informations-Zentrum (PIZ) in Lüdenscheid und im ambulanten Bereich in Lippstadt umgesetzt worden.

Neben den Strategien der Selbständigkeits- und Kompetenzförderung durch hier aufgezeigte Patientenanleitung, Patientenaufklärung und Patientenberatung, führt Brieskorn-Zinke direkte pflegerische Handlungsfelder an, die einen Ansatz zur Gesundheitsförderung bieten .


Ebene des Körperempfindens/ der Körperwahrnehmung

Körperwahrnehmung ist Grundlage für Selbstverantwortung und Eigenverantwortung. Pflege als sehr köperbetonter Beruf, kann hier Unterstützung bei einem in Krankheit gestörtem Köpererleben geben. Kinästhetik und Bobath sind in diesem Kontext zwei verbreitete Strategien der Pflege.


Psycho-emotionale Ebene

beschreibt die professionelle Unterstützung einer kritischen Lebenssituation in Folge einer Krankheitssituation. Hier geht es um die Bewältigung von Diagnosen, Krankheitsfolgen und Auswirkungen sowie die emotionale Begleitung der Patienten durch die Pflege.


Ebene der Fertigkeit

Hier geht es um die bestimmte Vermittlung von Fertigkeiten mit dem Ziel des selbstbestimmten Krankheitsumganges. Anleitungen und Schulungen beschreiben einen Teilbereich der Patientenedukation.


Psychosoziale Ebene

Beziehungsstrukturen sind in Erkrankungssituationen Belastungen ausgesetzt. Pflege berät hier und versucht soziale Unterstützungssysteme zu stützen und zu eröffnen. Beispiele sind Familie, Freunde und Nachbarn, aber auch Selbsthilfegruppen.

Interessant ist im Zusammenhang der psychosozialen Ebene, dass nur die Veröffentlichung von Hurrelmann neben den direkt Betroffenen auch die pflegenden Angehörigen mit in eine ausführlichere Betrachtung einbezieht . In erster Linie wird die Vermittlung von praktischem Wissen und Fähigkeiten zur Durchführung der notwendigen direkten Pflege, als für die pflegenden Angehörigen relevant gesehen. Die Unterstützung im Sinne der Selbstpflege die auch die pflegenden Angehörigen einbezieht, findet in der für diese Untersuchung mit einbezogenen Literatur nur wenig Raum. Als paradox beschreibt Winter (2002) die Situation der pflegerischen Gesundheitsförderung im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Mitarbeiter selbst. Pflege zählt nach wie vor zu den gesundheitsgefährdeten Berufen. Burnout, Überforderungsgefühle und hohe psychische Belastungssituation, sind nur einige der Gründe, die dafür verantwortlich sind, dass Pflegende im Durchschnitt nur fünf bis sieben Jahr im Beruf verbleiben . Der Bericht der Enquete-Kommission zur Situation und Zukunft der Pflege in NRW (2005) verweist hierzu auf die NEXT-Studie. In einer groß angelegten internationalen Längsschnittstudie zur Entwicklung der Pflegeberufe, werden derzeit Ausstiegszeitpunkt und Arbeitszufriedenheit untersucht.


Umsetzungsprobleme

Trotz aller aufgezeigten Potentiale für eine pflegerische Umsetzung von Gesundheitsförderung, verdeutlichen nicht zuletzt die zahlreichen Berichte über Missstände in der Pflege, das Gesundheitsförderung im Pflegealltag insgesamt eher noch eine untergeordnete Rolle spielt . Die zur Untersuchung herangezogenen Artikel nennen hierfür eine Reihe von unterschiedlichen Gründen. Schaeffer und Moers verweisen schon 1994 auf eine zunehmende Reduktion notwendiger Handlungsspielräume sowie die teilweise Entleerung des Berufsfeld Pflege . Demnach werden spezifische Aufgaben der Pflege wie Beratung und Anleitung von Patienten und Angehörigen, aus dem Arbeitsprofil der Pflege zugunsten andere Berufsgruppen ausgegliedert. Probleme bei der Umsetzung von Prävention und Gesundheitsförderung lassen sich demzufolge nicht zuletzt im Berufsbild der Pflegenden selber finden, wie auch das Gutachten des Sachverständigenrates der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen (2003) aufzeigt. Nur die Hälfte einer in einer Krankenhausstudie befragten Pflegenden, ordnen Gesundheitsförderung als eine berufsspezifische Aufgabe der Pflege zu. Die andere Hälfte sehen Gesundheitsförderung eher als Tätigkeitsbereich der Ärzte, Physiotherapeuten oder Diätassistenten . Auch Korporal (2004) greift die Umsetzungsprobleme einer pflegerischen Gesundheitsförderung in seinem Artikel auf. Er hält fest, dass Gesundheitsförderung für die Pflege in Deutschland bisher ein wenig relevantes Thema ist. Exemplarisch verdeutlicht er dies am Stellenwert von Gesundheitsförderung und Prävention in Lehrbüchern der Pflegeausbildung. Hier werden zwar allgemeine Grundlagen und Begriffsklärungen gegeben, es fehlt jedoch eine konkrete Auseinandersetzung und praktische Umsetzung für die Pflege. Hinweise zu Defiziten in der Pflegeausbildung gibt auch das Gutachten des Sachverständigenrates der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen (2003). Es weist auf die fehlende Anpassung der Schulcurricula hin. Diese sind nicht an die mit dem zur Chronizität veränderten Krankheitsbildern und neuen Aufgaben der Gesundheitsvorsorge einhergehenden neuen Anforderungen an Beratung und Anleitung in der Pflege angepasst worden. Mit Blick auf die Grundlagen einer pflegerischen Gesundheitsförderung werden in mehreren Veröffentlichungen konzeptionelle Mängel und Unklarheiten konsterniert. So erkennt Winter (2002) zwar an, dass Gesundheitsförderung ein Teilgebiet der Pflege ist, es fehlt ihm jedoch an Konkretisierung und Präzisierung der daraus folgenden Aufgaben . Auch der Bericht der Enquete-Kommission zur Situation und Zukunft der Pflege in NRW (2005) bemängelt die fehlende pflegeprofessionelle Ausgestaltung eines spezifischen Konzeptes bei darüber hinaus fehlender pflegewissenschaftlicher Fundierung. Neben der pflegetheoretische Fundierung werden auch in die Pflegepraxis Hindernisse gesehen. In erster Linie wird eine immer mehr steigenden Arbeitsbelastung als mitverantwortlich für die Umsetzungsprobleme einer pflegerischen Gesundheitsförderung angeführt . Diese ist sowohl auf die Arbeitsverdichtung als auch auf Arbeitsausweitung zurück zu führen. Überstunden, abnehmende personelle Ressourcen und eine knappe Pflegeleistungsvergütung bei engen Zeitkorridoren ist hier kennzeichnend. Schaeffer (2000) verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Arbeitsverdichtung im Krankenhaus bei verkürzter Verweildauer der Patienten, gleichzeitig steigender Fallzahl und abnehmenden Anteil von qualifiziertem Personal. Die anstehenden Veränderungen durch die Einführung der DRG lassen hier für die Zukunft eine Ausweitung der Problematik erwarten.


Entwicklungsmöglichkeiten

Wie gezeigt wurde, ist ein pflegerisches Potential zur Gesundheitsförderung durchaus vorhanden. Diesem Potential stehen aber entscheidende Hindernisse in der pflegerischen Konzeptentwicklung und praktischen Umsetzungsprobleme in Deutschland entgegen. Winter (2002) geht aufgrund dieser Umsetzungsprobleme davon aus, dass das Potential der Pflege optimiert und nachhaltiger genutzt werden muss . Primär sind hier die fehlenden konzeptionellen Umsetzungen zur pflegerischen Gesundheitsförderung weiter zu entwickeln. Dem gegenüber geht Brieskorn-Zinke (2004a) davon aus, dass Grundlagen und Konzepte der Gesundheitsförderung durchaus vorhanden sind. Diese gilt es nur in pflegerische Handlungsfelder zu transferieren . Sie sieht vielmehr den Bedarf eines grundlegend neuen Professionsverständnisses der Pflege im Vordergrund. Pflege habe sich aus seiner praktischen Arbeit heraus für die Gesundheitsbedürfnisse von Individuen und Gruppen zu öffnen. Auch Winter (2002) sieht diese nötige kritische Überarbeitung des pflegeprofessionellen Selbst- und Aufgabenverständnisses im Zentrum. Insbesondere hinsichtlich der Integration von Beratung und Training in die pflegerische Arbeit sind nach Winter neue Ansätze zu suchen. Fichten unterstreicht in diesem berufspolitischen Zusammenhang, dass Gesundheitsförderung eine andere Dimension bekommen wird, wenn sie von einer Gruppe getragen wird . Er erweitert diesen Anspruch aber hinsichtlich einer berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit. Für Görres wird sich dieses veränderte Selbstverständnis der Pflege am ehesten in einer Erweiterung des traditionellen Pflegehandeln von der personenbezogenen Dienstleistung hin zu einer Öffnung zum öffentlichen Raum zeigen . Mit neunen Entwicklungsperspektiven wird sich die Pflege auch an neuen Paradigmen ausrichten. Es gilt die Entwicklung von einem defizit- und krankheitsorientierten Verständnis hin zu einer Ausrichtung auf Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitsedukation zu entwickeln. In diesem Sinne möchte Görres (2004) durchaus auch das Ziel der pflegerischen Intervention von der individuellen Personenebene auf allgemeine, gruppenbezogenen Ansätze auf Gemeinde- oder Landesebene erweitern. Einig sind sich die Autotoren, dass es zur weiteren Entwicklung und Implementierung pflegerischer Gesundheitsförderung einer Anpassung der Pflegeausbildung bedarf . Dies müsste sowohl die Aktualisierung der Ausbildungsinhalte als auch eine Diversifizierung der Qualifikationsmöglichkeiten umfassen . Eine Möglichkeit für eine solche Qualifikationsmöglichkeit sieht Matchenko (2002) und Brieskorn-Zinke (2001) in der Fortbildung „Gesundheitsförderung für Pflegende“ mit EU-Zertifikat. Dieses von 13 Mitgliedstaaten entwickelte Curriculum zielt auf eine Harmonisierung des pflegerischen Bereiches der Gesundheitsförderung.


Eigene Stellungnahme

Walter Zimmerli, ehemaliger Präsident der Privat Universität Witten/Herdecke, spricht von Gesundheit als dem zentralen ökonomischen wie auch bildungspolitischen Thema des 21. Jahrhundert . Soziale wie auch demografische Veränderungen werden meiner Meinung nach diesen neuen Stellenwert von Gesundheit für die Zukunft weiter betonen. Erste Ansätze einer politischen Reaktion auf diese Entwicklung, sind in dem mit dem Präventionsgesetz eingeleiteten Paradigmenwechsel in der Gesundheitsversorgung Deutschlands zu erkennen. Dieser Entwicklung wird sich die Pflege stellen müssen. Gesundheit und Gesundheitsförderung sind meiner Meinung nach feste Bestandteile einer jeden Pflegesituation. Für die Pflege bietet sich hier die Möglichkeit, sich weiter als eigenständige Profession fachlich wie auch berufspolitisch zu etablieren bzw. weiter zu entwickeln. Die im Ausland schon länger zu beobachtende Entwicklung von Pflege und Public Health zeigt welche Erweiterung des traditionellen Aufgabenspektrums der Pflege möglich ist. Gesundheitsförderung bietet der Pflege die Möglichkeit, die ihr bis jetzt in Deutschland klassischen Settings und Institutionen um neue Aspekt zu erweitern. Eine gemeinde-, quartiersbezogene dezentrale Gesundheitsversorgung bietet für mich eine Fülle von neuen Möglichkeiten. Gesundheitsförderung muss lokale Gegebenheiten berücksichtigen. Erste Ansätze sehe ich hierzu in dem Projekt der „Family-Health-Nurse“ auf Deutschland übertragen. Die Entwicklung von pflegespezifischen Konzepten der Gesundheitsförderung werden zurecht in einigen Artikeln reklamiert. Pflegewissenschaft kann hier einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung leisten. Darüber hinaus wird es in erster Linie um die Weiterentwicklung des beruflichen Selbstverständnisses gehen. Erst wenn Pflege die Pflege der Gesundheit und Krankheit für sich annimmt, wird ihr eine Weiterentwicklung, auch gegenüber und mit anderen Professionen, möglich sein. Die Anpassung der Ausbildungssituation sehe ich in diesem Kontext als entscheidend an. Die Antwort auf dieses Handlungsfeld der Pflege kann aber nicht einzig und allein in einem Weiterbildungsangebot liegen. Vielmehr muss es darum gehen, das Regelangebot in der Ausbildung auf Gesundheit, Beratung Schulung und geeigneten eigenen Assesmentinstrumenten hin auszurichten, um eine möglichst breite Basis anzulegen. Auf diese Basis können Fortbildungen aufbauen und eine Spezialisierung ermöglichen. Neben dieser berufspolitischen Möglichkeiten, die ich mit der pflegerischen Gesundheitsförderung verbinde, ist mir auch die Gesundheitsförderung an sich ein Anliegen. Sie sollte als Angebot auf alle Gruppen und Teilbereiche des Lebens ausgedehnt werden. Auch im Alter oder im Fall von Krankheit ist eine Gesundheitsförderung möglich und auch nötig. Der Focus sollte dabei nicht nur auf ökonomische Potentiale gerichtet sein, sondern insbesondere qualitative Gesichtspunkt im Sinne einer selbstbestimmten Lebensqualität miteinschliessen. Pflege hat für mich, mit seiner auf Alltagsbewältigung hin orientierten Ausrichtung, nicht nur im Hinblick auf Bewahrung der Selbständigkeit einen entscheidenden Beitrag auch zum Thema Gesundheit zu geben. In diesem Sinne ist es an der Pflege dafür einzutreten, gleichberechtigt und eigenverantwortlich Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung mitgestalten zu können.


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