Mindestarbeitsbedingungen in der Pflegebranche

Aus Familienwortschatz
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Für die Pflegebranche wurden durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nach § 11 AEntG verbindliche Mindestarbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Branche in Form eines Mindestlohns festgelegt. Der Inhalt der Mindestarbeitsbedingungen wurde dabei abweichend von anderen Branchen nicht in einem Mindestlohn-Tarifvertrag festgelegt, sondern von einer Kommission vorgeschlagen, der Gewerkschaften und nicht kirchliche Pflege-Arbeitgeber sowie Dienstgeber und Dienstnehmer der Kirchen angehörten.

Pflegearbeitsbedingungenverordnung

Die Pflegearbeitsbedingungenverordnung (PflegeArbbV) trat am 15. Juli 2010 in Kraft; ihre vollständige Bezeichnung lautet: Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche. Sie wurde vom Bundesminister für Arbeit und Soziales nach § 11 AEntG erlassen. Durch die Verordnung wurde ein Mindestlohn festgelegt, jedoch keine weiteren Mindestarbeitsbedingungen für die Branche.

Geltungsbereich

Zur Pflegebranche gehören alle Betriebe oder selbstständige Betriebsteile, die ambulante, teilstationäre oder vollstationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen. Keine Pflegebetriebe in diesem Sinne sind Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen oder Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Der Pflege-Mindestlohn

Nachdem sich die Kommission am 11. September 2009 auf einen Mindestlohn geeinigt hatte[1], erließ das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 15. Juli 2010 die Pflegearbeitsbedingungenverordnung[2]. Mit Wirkung zum 1. August 2010 gilt damit in Deutschland erstmals ein Pflege-Mindestlohn. Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer, die in Deutschland in der Pflegebranche arbeiten, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber ein inländisches oder ein ausländisches Pflegeunternehmen ist, und die überwiegend pflegerische Tätigkeiten in der Grundpflege ausüben.

West-Deutschland Ost-Deutschland
ab 1. August 2010 8,50 Euro/Stunde 7,50 Euro/Stunde
ab 1. Januar 2012 8,75 Euro/Stunde 7,75 Euro/Stunde
ab 1. Juli 2013 9,00 Euro/Stunde 8,00 Euro/Stunde

Als weitere Mindestarbeitsbedingungen könnten Regelungen festgelegt werden über:

  • Weblink zum Verordnungstext: § 2 Mindestentgelt

Fälligkeit

Das Mindestentgelt ist spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Arbeitsmonat folgt.

  • Weblink zum Verordnungstext: § 3 Fälligkeit

Ausschlussfristen

Ansprüche auf das Mindestentgelt sind innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.

  • Weblink zum Verordnungstext: § 4 Ausschlussfrist


Inhaltliche Festlegung der Mindestarbeitsbedingungen durch eine Kommission

Der Inhalt der Mindestarbeitsbedingungen, die durch die Rechtsverordnung rechtsverbindlich werden, also etwa die Höhe des Mindestlohns, werden von der Kommission zur Erarbeitung von Arbeitsbedingungen oder deren Änderung vorgeschlagen.

Kommissionslösung als Sonderregelung wegen der Besonderheiten im kirchlichen Pflegebereich

Mit der “Kommissionslösung” wurde eine Sonderregelung für die Pflegebranche geschaffen. Während in den anderen Branchen, in denen ein Mindestlohn möglich ist, dieser in einem Tarifvertrag festgelegt wird, der durch Rechtsverordnung allgemeinverbindlich erklärt wird, tritt in der Pflegebranche anstelle des Tarifvertrags der Kommissionsvorschlag.

Dadurch wird in der Pflege der Sonderrolle der Kirchen entgegen gekommen. Die Kirchen lehnen es unter Berufung auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ab, Tarifverträge zu schließen oder sich Tarifverträgen zu unterwerfen. Statt dessen praktizieren die Kirchen den so genannten Dritten Weg. Das bedeutet, dass die Arbeitsbedingungen, die sonst in Tarifverträgen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften vereinbart werden, in besonderen kirchlichen Regelwerken/Gesetzen festgelegt werden, die von paritätisch besetzten Kommissionen der Dienstgeberseite (Arbeitgeber) und der Dienstnehmerseite (Arbeitnehmer) verabschiedet werden. Solche Regelwerke sind zum Beispiel die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) oder der Diakonie oder der Bundesangestelltentarifvertrag-Kirchliche Fassung (BAT-KF).

Errichtung und Zusammensetzung der Kommission

Die Kommission wird im Einzelfall errichtet, wenn dies eine Tarifvertragspartei aus der Pflegebranche oder wenn dies die Dienstgeberseite oder die Dienstnehmerseite von paritätisch besetzten Kommissionen nach dem Sonderrecht der Kirchen beantragt.

Die Kommission besteht aus acht Mitgliedern, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Vorschlag der beteiligten Gruppierungen benannt werden. Für den Vertretungsfall wird außerdem aus jeder Gruppierung ein Vertreter benannt. Die Kommission wird von einem nicht stimmberechtigten Vorsitzenden geleitet, der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt wird.

Als stimmberechtigte Mitglieder gehören der Kommission gehören je zwei Personen aus folgenden Gruppierungen an:

  • die Gewerkschaften, die in der Pflegebranche tarifzuständig sind
  • die Vereinigungen der (nicht-kirchlichen) Arbeitgeber in der Pflegebranche
  • die kirchliche Dienstnehmerseite
  • die kirchliche Dienstgeberseite

Die erste Kommission war am 11. September 2009 auf die Vorschläge von ver.di, dem Arbeitgeberverband Pflege, der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände sowie den Arbeitsrechtlichen Kommissionen des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche Deutschlands bzw. des Deutschen Caritasverbands berufen worden[3]. Vorsitzender der Kommission war Rainer Brückers, der auch geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist.[4]

Beschlüsse der Kommission

Die Kommission ist nur beschlussfähig, wenn alle acht Mitglieder anwesend oder vertreten sind.

Ein Beschluss kommt erst zustande, wenn in vier verschiedenen Gruppen jeweils eine Dreiviertelmehrheit dafür stimmt. Es müssen also vier Abstimmung erfolgen, an der jeweils unterschiedliche Kommissionsmitglieder teilnehmen. Erforderlich ist jeweils eine Dreiviertelmehrheit

  1. der Mitglieder der nicht-kirchlichen Arbeitnehmer und der nicht-kirchlichen Arbeitgeber
  2. der Mitglieder der kirchlichen Arbeitnehmer und der kirchlichen Arbeitgeber
  3. der Mitglieder der nicht-kirchlichen Arbeitnehmer und der kirchlichen Arbeitnehmer
  4. der Mitglieder der nicht-kirchlichen Arbeitgeber und der kirchlichen Arbeitgeber


Kritik

Es wird kritisiert, dass ein Lohn in Höhe des Mindestlohns nicht ausreiche, um davon seinen Lebensunterhalt zu betreiten. Desweitern müsse der Mindestlohn auch auf das nicht-pflegerische Personal ausgeweitet werden.

Quellen

  1. Verdi Pressemitteilung vom 25. März 2010
  2. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung – PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010, Bundesanzeiger Ausgabe Nr. 110 vom 27. Juli 2010, Seite 2571
  3. Liste der Mitglieder der Kommission
  4. Pressemitteilung der BMAS

Weblinks

Siehe auch


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