Notfallübung am Frankfurter Flughafen 2010
Auf einer im Bau befindlichen Landebahn des Frankfurter Flughafens fand am Samstag, den 9. Oktober 2010 eine Katastrophenschutz-/ Notfallübung statt, die für das Rettungswesen in ganz Deutschland wichtige Informationen lieferte. Hunderte Helfer übten Notfallrettungsmaßnahmen bei einem Szenario mit einem Masseanfall von Verletzten (MANV, neuer Ausdruck für Katastrophe) unterschiedlichen Verletztengrades, die von 590 geschminkten Helfern gespielt wurden. Die darauf vorbereiteten Einsatzkräfte kamen aus der gesamten Stadt Frankfurt, aus allen 16 Frankfurter Krankenhäusern und aus ganz Hessen angefahren. Es wurde die Zusammenarbeit der Dienste und der Zeitbedarf für die Rettung der Opfer getestet und gleichzeitig verbessert.
Dabei wurde eine neue Technik zur Steuerung der Transporte eingesetzt. Erstmals wurden bei einer Großübung Personal Digital Assistants (PDA) getestet. Das sind kleine tragbare Computer, mittels derer passive RFID-Chips mit Informationen über den Zustand des Verletzten und die vorgenommenen Behandlungen versehen werden können. Die Chips werden den Verletzten mit grünen, gelben oder roten Armbändern umgebunden. Die auf den Chips gespeicherten Daten werden an Leitstellen und Krankenhäuser übertragen. Die Chips ermöglichen den Rettungskräften, die Verletzten pber Satellit zu orten. Die Übertragung der Daten erfolgte hauptsächlich über das Handy-Netz, aber dreifach redundant. Auch ein etwaiger Zusammenbruch dieses Netzes wurde getestet – mit Funk und einem lokalen WLAN-Netz, das wiederum mit einem Satelliten verbunden ist. Das bisherige System: Rettungskräfte füllen Karten per Hand mit den Informationen aus, die dann den Verletzten umgehängt werden.
Datenübertragung
Durch die digitale Funktechnik konnten die beteiligten Krankenhäuser über laufende Transporte vorab informiert werden und was noch wichtiger war: vor Ort war der Überblick, wie viele Patienten der verschiedenen Schweregrade zu versorgen sind und wie viele Patienten noch unversorgt sind, wesentlich erleichtert. Die Armbänder in grün, gelb und rot symbolisieren drei Schweregrade der Verletzung. Eine Triage mit der negativen Auslese von Patienten, die wegen fehlender Kapazität nicht behandelt werden, fand in der Übung nicht statt. Allerdings symbolisierten von den eingesetzten Freiwilligen auch einige Dutzend Tote, denen nicht mehr geholfen werden konnte. Der Zeitgewinn durch die neue Technik: „Nach zwölf Minuten hatten wir den ersten Verletzten registriert, nach 30 Minuten herrschte ein nahezu kompletter Überblick über die Situation“, fasste Staatsekretär Helge Braun vom Bundesforschungsministerium diesen Teil des Übungsergebnisses zusammen.
Der Schreib- und Lesevorgang vom PC zum Chip selbst dauert weniger als fünf Sekunden, und parallel dazu wurden die Daten auch drahtlos an die Leitstelle übertragen. Die Einbindung der Geräte in die verschiedenen Kommunikationsnetze hat das C-Lab aus Osnabrück übernommen, eine Kooperation von Siemens IT mit der Universität Paderborn.
Weitere Schritte
Als nächstes soll die Kommunikation zwischen Leitstelle, Rettungsfahrzeugen und Krankenhäusern in einem Feldversuch untersucht werden. Dazu werden alle Krankenwagen in Frankfurt/M mit dem PDA ausgestattet. Die Anschaffung soll bis zum Frühjahr 2012 erfolgen.
Kritikpunkte an der Übung
- Wirklichkeitsnähe des Szenarios
- Im Gegensatz zu Planspielen, bei denen die Krankenwagen meistens nahe der Übungsstelle warten oder erst gar nicht bewegt werden, ließen die Organisatoren die Rettungsfahrzeuge diesmal tatsächlich quer durch das gesamte Gebiet fahren, um Erfahrungen für den Ernstfall zu sammeln – trotz Ferienreisezeit und der stattfindenden Frankfurter Buchmesse. „Alles andere wäre eine Übungskünstlichkeit“, sagte dazu Reinhard Ries, Leiter der Berufsfeuerwehr Frankfurt.
- Fehlende Intensivbetten
- Kritisiert wurde u. a., dass das für die Übung verwendete und für das PDA-System geplante Geld besser in Intensivbetten investiert würde. Diese sind eine nicht erfüllte Grundvoraussetzung im regionalen Gesundheitswesen. Denn es gibt offensichtlich nicht genug frei gehaltene Intensivbetten im Rhein-Main-Gebiet und in der Regel auch nicht ausreichend Pflegepersonal dafür. Es stellt sich die Frage, wie weit Schwerverletzte in einem Katastrophenfall transportiert werden sollen?
Zeitungsberichte
- Peter Thomas: Wenn es auf jede Minute ankommt. FAZ vom 6. November 2010 (Thomas beschreibt, wie mit dem PDA aus dem anonymen Opfer ein Patient mit medizinischer Identität wird. Die Taschencomputer helfen den Rettungskräften bei großen Katastrophen mit vielen Verletzten. Vor allem unmittelbar nach einem Unglück sollen sie bei der Koordination der Einsatzkräfte helfen.)
- Markus Bulgrin: Der gestellte Ernstfall. In: Frankfurter Rundschau,
- Frankfurt verkraftet den großen Übungs-Crash / Katastrophe mit Ansage. FAS/F.A.Z. vom 11. Okt. 2010
Literatur
- „Sofortrettung bei Großunfall mit Massenanfall von Verletzten“ (SOGRO), der Titel des Forschungsprojekts, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. (Publikation ausstehend)
Siehe auch
- Notarzt
- Rettungswagen — Rettungsassistent
- Notarztwagen (Transport der kranken/verletzten Person)