Kritik

Aus Familienwortschatz
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Kritik und Kritikfähigkeit sind zu einander gehörende Begriffe. Sie beschreiben eine besondere Situation in der Kommunikation von mindestens zwei Persoenen: eine Verhaltensänderung soll erreicht bzw. abgelehnt werden. Da bei jeder Kommunikation gleichzeitig mehrere Ebenen der Wahrnehmung und des Erlebens von Reizen durch die Botschaften der anderen Person mitschwingen, kann es dabei sehr leicht zu Missverständnissen auf den Ebenen Beziehung und Emotion kommen.

Ihr bisheriges eigenes Verhalten wird von einer Person in der Regel als richtig eingeschätzt, bei Kritik kann diese Person um die Wertschätzung ihrer gesamten Person in den Augen anderer fürchten. Dies kann bereits bei der Sellbstwahrnehmung unangenehm wirken, unangenehme Gefühle auslösen. Bei Kritik durch andere kommt die angeborene Selbstverteidigung und die gelernten Verteidigungsstratgien fast automatisch zum Zug.

Sollte die Einschätzung des bisherigen Verhalten als falsch von beiden Seiten geteilt werden, heißt das noch lange nicht, dass die damit verbundenen Gefühl bei der kritisierten Person sich in eine positive Wahrnehmung der kritisierenden (angreifenden) Person verändert.

Das erklärt, warum die Unterscheidung der Kritik nach der Art und Weise ihrer Form oder Zielsetzung

+ positive Kritik = ein Lob (evtl. unter vier Augen oder auch vor anderen. Verbunden mit der Bitte um weitere ähnliche Beiträge)
++ konstruktive Kritik als eine differenziert vorgetragene Bewertung/Hinterfragung mit Änderungsvorschlägen
- negative Kritik: ein Tadel (evtl. unter vier Augen)
- - destruktive Kritik als eine undifferenziert Beanstandung, manchmal verbunden mit abschätzigen Bemerkungen vor anderen Personen (öffentliche Kritik)

im Alltagsgespräch überhaupt nicht weiterhilft, wenn die kritisierte Person positive Aspekte von konkreter Kritik nicht erkennen kann oder nicht erkennen will (bewusst oder unbewusst). Dann wird von mangelnder Kritikfähigkeit gesprochen.

Kritikfähigkeit

Kritikfähigkeit bezeichnet dreierlei:

  • 1. die geistige Fähigkeit eines Individuums, allgemein Kritik zu üben, also zu einem eigenständigen und unabhängigen Urteil zu kommen. Unabhängig meint in diesem Zusammenhang: ohne von dem abzuhängen, was andere (oder man selber) früher vor-gedacht haben. Kritikfähigkeit ist in diesem Sinne also bereits vorhanden, wenn das Individuum in der Lage ist, selbstständig über Vor- und Nachteile oder andere Unterschiede zu urteilen, Vorurteile überprüfen zu können und Vorgedachtes auf Richtigkeit der logischen Schlüsse zu bewerten.
  • 2. die soziale Fähigkeit, andere Personen auf einen –möglicherweise auch nur vermeintlichen- Fehler so hinzuweisen, dass dieser Sachverhalt von der kritisierten Person verstanden wird. Nur so kann die kritisierte Person in einem gedanklich nächsten Schritt den Inhalt der Kritik überprüfen.
  • 3. die Fähigkeit nach einer Kritik an eigenem Handeln, Unterlassen oder Äußerungen, dieses bisherige eigene Handeln ergebnisoffen neu zu überprüfen. Die Kriterien für die Überprüfung sollten unter Umständen dargelegt werden können. Zunächst ist dies eine passive Fähigkeit, weil Kritik erduldet werden muss. Manchmal erübrigt sich das, z. B. durch Annahme der Kritk und baldige Änderung des bisherigen Verhaltens (etc.). Dann wandelt sich diese passive Kritkfähigkeit in eine Fähigkeit aktiv etwas Neues zu planen.

In diesem Sinne schließt der Begriff auch ein, dass Kritik vom betroffenen Individuum nicht nur als abzuwehrende Angriff auf die eigene Person empfunden wird, sondern als Möglichkeit zur Erkennung von Schwächen und deren Minimierung oder Beseitigung.

Die Optimierung eigener Handlungsweisen oder Standpunkte ist generell vorteilhaft, spielt aber insbesondere bei der Mitwirkung und Mitarbeit in einem Team eine wichtige Rolle. Kritikfähigkeit in diesem Sinne ist somit ein Hauptbestandteil der Teamfähigkeit und Kooperation.

Nicht jede Kritik und der Reflexion darüber wird in einer Änderung des Verhaltens oder der Einstellung resultieren; vielmehr ist gemeint, dass es/sie einer fairen Prüfung unterzogen wird mit Offenheit bezüglich ihrer Umsetzung (ergbnisoffen). Kritsierende Vorgesetzte übersehen diese Aspekt leicht, weil sie ja gar nicht an den Reflexionsprozess denken, den sie auslösen müssen sondern erfolgsorientiert nur von einer Zustimmung ausgehen. In den Augen der Untergebenen schließt ein solches Auftreten die ergebnisoffene Prüfung schon wieder fast aus.

Die Entscheidung, ob diese Umsetzung dann auch erfolgt oder nicht, sollte in jedem Falle ausreichend begründet werden können. Deshalb zählt zur passiven Kritikfähigkeit auch die Fähigkeit zur Argumentation.

Die unter 2. genannte aktive soziale Fähigkeit ist eine wichtige Führungseigenschaft. Neudeutsch würde man vielleicht von Kritikkompetenz der Leitungskraft sprechen.

Kritik an Vorgesetzten

In einer hierarchischen Organisation, die Kommunikationswissenschaft spricht von einer assymetrischen Beziehung, ist damit eine Anzweiflung einer quasi vorausgesetzten 100prozentigen Fachkompetenz der vorgesetzten Führungsperson verbunden. Diese hätte außer der Antwort auf die Kritik aber viele weitere Möglichkeiten die kritisierende Person in anderen Bereichen zu bestrafen (zu sanktionieren; bis hin zum Mobbing)

Wikipedia weist auf den Begriff Selbstkritik als häufig (miss/ge-)brauchte Methode hin, um von Dogmen abweichende Personen, z. T. öffentlich, wieder zu den nicht hinterfragbaren Dogmen zurückkehren zu lassen (s. dort weiter unter Bußbereitschaft/Beichte, Inquisition, Religionen, Stalinismus, Zensur).

Die Kritikfähigkeit von Vorgesetzen nach einer Kritik am eigenem Handeln dieses ergebnisoffen zu überprüfen ist generell sehr schwach ausgeprägt. Durch ihre Führungsaufgaben sind Vorgesetze sehr oft mehr an Durchsetzungsfähigkeit als an Nachdenklichkeit interessiert. Die verbal oft geäußerte Bereitschaft Kritik am eigenem Handeln sei erwünscht, würde im Ernstfall eher in massiven Abwehrstrategien enden als in echter Dankbarkeit an der Ehrlichkeit einer/-es Untergebenen. Leider muss vor jeder direkten Kritk an Vorgesetzten solange gewarnt werden, wie es einer/einem VorgesetztEr nicht gelungen ist, von sich aus eine echte Kultur gegenseitigen Vertrauens in einem Team aufzubauen.

Die Zusammenarbeits- und Kommunikationsqualität einer Organisationskultur, eines Führungsstils, zeigt sich in der Praxis an 4 Merkmalen:

  1. Umgang mit Initiative und Ideen,
  2. Umgang mit Fehlern,
  3. Umgang mit Widerspruch und anderen Meinungen,
  4. Umgang mit Ressourcen

Kritik an Untergebenen

Kritk einer Leitungskraft (z. B. Stationsleitung, PDL) an einer nachgeordneten Fachkraft oder SchülerIn steht immer in Gefahr, von dieser als persönliche Zurückweisung oder Antipathiebekundung missverstanden zu werden. Dem kann durch eine besondere Beachtung der Kommunikationsform vorgebeugt werden: auf gleicher Augenhöhe, kein unnötiger Zeitdruck, Vieraugengespräch statt Öffentlichkeit.

An einer arbeitsrechtlich bestehenden Möglichkeit kann all dies jedoch nichts ändern: Kritk einer Führungskraft ist nie nur Unterstützung oder intelllektuelle Übung sondern kann arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung nach sich ziehen. Die kritisierte Person sollte deshalb diese Möglichkeit immer mitdenken – genauso wie die Leitungskraft. Diese sollte klar signalisieren, wenn sie meint, dass solche (möglicherweise befürchtete) Konsequenzen nicht aktuell sind.


Das Kritkgespräch

Wenn in einem Gespräch an dem Verhalten einer Person über einen längeren Zeitraum hinweg Kritik ausgesprochen werden soll, ist dies nicht nur für die kritisierte Person eine schwierige Situation. Diese Situation kann ihr durch die Vorbereitung und Art und Weise der Durchführung etwas erleichtert werden. Ziel ist und soll ja nicht moralische Unterwerfung oder Zerknirschung sein sondern die Bereitschaft zur Änderung des künftigen Verhaltens.

aus Sicht der kritisierenden Person

sollte darauf geachtet werden

  • Ruhiger Gesprächsort und anfangs bekanntgegebener Themenrahmen fördert Vertrauen
  • Fragen nach den Sichtweisen der anderen Beteiligten
  • verständnisvolle und empathische Reaktionen öffnen Bereitschaft zum Neudenken
  • Am Ende einen Überblick über die Ziele und bisher aufgezeigten Möglichkeiten geben
  • evtl. verbindliche Festlegungen klar ausdrücken

aus Sicht der kritisierten Person

Das Kritkgespräch aus Sicht der kritisierten Person

  • verlangt nicht nach spontanen Reaktionen sondern will Überlegung, Nachdenken auslösen. D. h. auch, ich darf mit Antworten zögern, nachfragen.
  • wer kritisiert, ist meist auch bereit, sich gegenseitig zu helfen. Das soll ich annehmen.
  • am Gesprächsende soll ich sagen, wie ich mir das weitere Vorgehen vorstelle: z. B. Änderungsvorschlag, Zeit zum Nachdenken erbitten, Erledigung bis aa.bb.cccc ankündigen. Eine Ablehnung der Vorschläge sollte nur in Ausnahmefällen direkt ausgesprochen werden.

Kritik in anderen Zusammenhängen

  • Philosophie und Erkenntnistheorie sind eng verbunden mit Kritik eigener und fremder Gedanken. Wichtige Beiträge haben daher oft die Überschrift "Kritk an ...."
  • In Literatur (schöngeistiger Art), Theater und Musik sind Fachexperten als KritikerIn tätig, deren Urteile "natürlich" oft selbst wieder umstritten sind. Der Aufbau der jeweiligen Kritiken unterliegt meist einer ritualisierten Form. Eine besonders schöne Art der Kritik-Experten sind die Eß-KritikerInnen (bösartig: Fresskritiker). Auch die sind z. B. in Restaurant-Führern u. ä. bereits seit langem institutionalisiert.
  • Die Wikiquette ist bekanntermaßen der Versuch in einem relativ anonymen textlastigen Kommunikationszusammenhang menschliche Umgangsformen zu beschreiben. Zitat: "Hinter jedem Beitrag zur Wikipedia - ob gut oder schlecht - steht ein Mensch. Dies zu bejahen ist einfacher, als sein Handeln an dieser Maxime auszurichten. Dabei ist gerade dies in einem Gemeinschaftsprojekt von essentieller Bedeutung. Beiträge haben Autoren und diese sind verletzt, wenn sich jemand in allzu grobem Ton über den Inhalt ihrer Texte oder Diskussionsbeiträge äußert." Hier dazu nur noch ein Zitat: " Freundlichkeit ist ein Zeichen von Professionalität."
  • Die Gesellschaftskritik in der Politik wird in der Regel zur Durchsetzung von Partialinteressen gegen eine derzeit herrschende Führungsschicht, -gruppe eingesetzt. Vgl. dazu Protestbewegungen, Demonstrationsrecht, Gewerkschaften als Interessenvertretung oder Parteienbildung
  • In der Philologie und Geschichtswissenschaft wird mit Textkritik die Analyse der Entstehungsgeschichte eines Textes bezeichnet. Beispiel: Geschichten in der Bibel tauchen mehrfach auf. Welche ist die ursprüngliche Fassung?

Siehe auch:

Literatur

Weblinks


Wikipedia-Logo.png vgl. Wikipedia: "Kritik"