Psychisch-Kranken-Gesetz

Aus Familienwortschatz
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In der Bundesrepublik Deutschland haben die einzelnen Bundesländer Gesetze über „Schutz“ und „Hilfen“ für psychisch kranke Menschen erlassen. In Baden-Württemberg, in Bayern und im Saarland heißen diese Bestimmungen Unterbringungsgesetz, in Hessen Hessisches Freiheitsentziehungsgesetz.

Gesetzesinhalt

Diese Gesetze regeln auch die Voraussetzungen für freiheitsentziehende Unterbringungen, falls eine Gefährdung Dritter oder eine Selbstschädigung aufgrund psychischer Krankheiten zu befürchten ist. Außerdem werden, jedenfalls in den neueren Gesetzen, ambulante vor- und nachsorgende Hilfen angeboten und Beratungsangebote gemacht. Diese Form der Unterbringung wird als öffentlich-rechtliche Unterbringung bezeichnet.

Zuständigkeit

Meist ist das örtliche Gesundheitsamt für Hilfen nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen zuständig. Das gerichtliche Verfahren für freiheitsentziehende Unterbringung ist in den §§ 70 ff FGG geregelt. Maßnahmen nach PsychKG kann jeder anregen. In Brandenburg kann auch ein rechtlicher Betreuer die PsychKG-Unterbringung beantragen.

Zwangsbehandlung

Eine Zwangsbehandlung gegen den Willen des Betroffenen ist in Nordrhein-Westfalen auch bei nicht vorhandener Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen nur in den Fällen von Lebensgefahr, von erheblicher Gefahr für die eigene und für die Gesundheit anderer Personen zulässig.

Soweit ein Betreuer (mit entsprechendem Aufgabenkreis) bestellt ist, gilt für die PsychKG-Unterbringung folgendes:

der Betreuer darf nur zum Wohl des Betreuten handeln (§ 1901 BGB). Sein Wohl hat der Betreute vorrangig selbst zu bestimmen, sofern er nicht krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, dieses zu erkennen. Daher kann der Betreuer grundsätzlich nicht gegen den Willen des Betreuten an seiner Stelle in die Behandlung einwilligen, wenn nicht die Gesundheit des Betreuten erheblich gefährdet ist. Bei einer schizophrenen Erkrankung wird das im Allgemeinen von den Gerichten angenommen.

In allen Bundesländern ist bei Eingriffen mit erheblicher Gefahr für Leben und Gesundheit eine Einwilligung des rechtlichen Betreuers notwendig, wenn der Betreute einwilligungsunfähig ist. In Niedersachsen, dem Saarland und Sachsen gilt dies für jedwede Behandlung, in Brandenburg und Rheinland-Pfalz für jeden körperlichen Eingriff.

In Brandenburg, NRW und Rheinland-Pfalz ist darüber hinaus eine Erörterung des Behandlungsplans auch mit dem Betreuer vorgesehen, in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern gilt dies ebenfalls auf Wunsch des Betroffenen. In Brandenburg und NRW sind freiheitsbeschränkende Maßnahmen auch dem Betreuer mitzuteilen. In Thüringen ist der Betreuer auf Wunsch des Betroffenen nachträglich von stattgefunden unaufschiebbaren Behandlungen zu informieren.

Für den rechtlichen Betreuer gilt darüber hinaus, dass er, sofern die Voraussetzungen des § 1904 Abs. 1 BGB vorliegen, es sich also um eine risikobehaftete Behandlungsmaßnahme handelt, seinerseits die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen hat. Diese ist unabhängig vom Unterbringungsbeschluss des Gerichtes.

Betreuungsrechtliche Unterbringung

In allen Bundesländern ist parallel neben der öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach Psychischkrankenrecht bei Menschen, die unter rechtlicher Betreuung stehen, eine Unterbringung durch einen Betreuer im Rahmen des § 1906 BGB möglich. Dies ist nur möglich bei Selbstgefährdung, nicht bei Fremdgefährdung. Das gleiche gilt für eine Unterbringung durch einen Bevollmächtigten, wenn diesem in einer Vorsorgevollmacht die Befugnis zur freiheitsentziehenden Unterbringung ausdrücklich eingeräumt wurde (§ 1906 Abs. 5 BGB).

Strafrechtliche Unterbringung

Außerdem ist die strafrechtliche Unterbringung möglich (§ 63 StGB), wenn ein psychisch kranker Straftäter weitere erhebliche Straftaten zu begehen droht und schuldunfähig (§ 20 StGB} ist. Diese Freiheitsentziehung erfolgt aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung) im Rahmen des Maßregelvollzugs.

Beteiligung von Betreuern an Unterbringungsmaßnahmen nach den PsychKGen

Freiheitsentziehungen nach den PsychKGen erfolgen als staatlich angeordnete Zwangsmaßnahme durch die davor vorgehenen Behörden (i.d.R. sozialpsychiatrischer Dienst bzw. Ordnungsbehörde) und erfordern kein direktes Zutun des Betreuers[1]. Ein etwaiges Aufenthaltsbestimmungsrecht des Betreuers ruht während einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung, da diese ein besonders öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis darstellt.

Dennoch kann es geboten sein, einen bereits vor einer derartigen Unterbringung bestellten Betreuer bereits im Vorfeld, ggf. auch zur Vermeidung einer solchen Betreuung zu beteiligen und auch in deren Vollzug. Hierbei ergeben sich unterschiedliche Detailfragen, die in den einzelnen Bundesländern z. T. abweichend geregelt sind. Dies wird im folgenden dargestellt. Wenn in einem der Bundesländer eine bestimmte, hier als wünschenwert angesehene Betreuerbetiligung auch dort stattfindet, in dem sie nicht gesetzlich geregelt ist, so ist dies als Zeichen guter interdisziplinärer Zusammenarbeit zwar zu begrüßen, gesicherter wäre aber ein eindeutiger gesetzlicher, den Betreuer ernstnehmender gesetzlicher Anspruch.

Zusammenarbeit im Vorfeld bzw. zur Vermeidung von Unterbringungen

Beratungsansprüche von Betreuern gegenüber dem sozialpsychiatrischen Dienst

Direkt genannt werden Betreuer in der neuen NRW-Regelung, umfaßt sind sie außerdem in Bremen, da sie dort unter den Begriff der Sorgeberechtigten fallen dürften. Nur indirekt sind Betreuer mit umfaßt in Brandenburg (Angehörige und Personen, die mit dem Betreuten zusammenleben), in Niedersachsen (nahestehende Personen), Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen (Personen, die mit den Betroffenen in Beziehung stehen). In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, NRW (bisher) enthalten die Gesetze keine entsprechenden Regelungen.

Institutionelle Zusammenarbeit des sozialpsychiatrischen Dienstes mit Betreuern, Betreuungsvereinen und -behörden

  • Baden-Württemberg und Hessen haben hierzu keine Regelung;
  • Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein: keine spezielle Regelung, erwähnt werden jedoch Verbände der freien Wohlfahrtspflege und andere Organisationen, die vor- und nachsorgende und begleitende Hilfen gewähren;
  • Berlin: wie Bayern, zusätzlich werden erwähnt alle an der Vorsorgung beteiligten Personen;
  • Brandenburg: wie Berlin, zusätzlich werden erwähnt Angehörigen- und Betroffenenorganisationen
  • Bremen: wie Bayern, zusätzlich Selbsthilfegruppen;
  • Niedersachsen: wie Bayern, zusätzlich Beratungs- und Behandlungseinrichtungen, die vergleichbare oder ergänzende Dienste anbieten;
  • In NRW werden u. a. Betreuungsvereine und -behörden genannt;
  • Thüringen: Betreuer und Betreuungsbehörden (darüber hinaus wie Niedersachsen).

Vor- und Nachrang der Unterbringungsarten

Die materiell-rechtlichen Unterbringungsvoraussetzungen in § 1906 BGB, der für Betreuer und Bevollmächtigte gilt, und für Unterbringungen nach den PsychKGen sind unterschiedlich. Während bei § 1906 BGB ausschließlich auf die Selbstgefährdung der betroffenen Person abgestellt wird, sind in den PsychKGen sowohl die krankheitsbedingte Selbstgefährdung als auch die Fremdgefährdung[2] Unterbringungsgründe. Dies bedeutet: liegt eine Selbstgefährung der betroffenen Person vor, die sowohl unter § 1906 BGB als auch den entsprechenden Paragraphen des jeweiligen PsychKG fällt und hat diese Person einen Betreuer, dessen Aufgabenkreis das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfaßt, besteht eine Konkurrenz beider Unterbringungsarten. Hier stellt sich immer wieder die Frage: ist eine der beiden Unterbringungsarten gegenüber der anderen nachrangig?

Denkbar wären 3 mögliche Lösungen:

  • die PsychKG-Unterbringung ist vorrangig gegenüber der BGB-Unterbringung
  • die BGB-Unterbringung ist vorrangingig gegenüber der PsychKG-Unterbringung
  • beide Unterbringungsarten stehen gleichrangig nebeneinander

Aus der Sicht der betroffenen Personen macht es zwar vom Ergebnis her keinen Unterschied, wer die Freiheitsentziehungsmaßnahme verantwortet. Da jedoch gerade der Vollzug der Unterbringungsanordung oft mit Gewaltanwendung verbunden ist, stellen sich gerade Betreuer oft auf den Standpunkt, dass sie eine Unterbringung nach dem PsychKG befürworten, um selbst „im Hintergrund“ bleiben zu können und mit einem einigermaßen intakten Vertrauensverhältnis nach der Entlassung des Patienten mit ihm weiter arbeiten zu können.

In einer Reihe von PsychKGen (in Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen) ist die Formulierung zu finden, dass der Willen desjenigen maßgebend ist, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht besitzt. Dies kann auch ein Betreuer sein[3]. Eine solche Formulierung enthält einen bedingten Vorrang der BGB-Unterbringung. Allerdings bedeutet es nicht, dass ein unter Betreuung stehender Betroffener deshalb nicht nach dem PsychKG untergebracht werden dürfte. Schließlich kann der Betreuer zu einer anderen Schlußfolgerung kommen als die nach PsychKG zuständige Behörde, er kann z. B. die Unterbringungsnotwendigkeit verneinen oder wenn er sie bejaht, deshalb keine eigene Unterbringung anordnen wollen, weil er die künftige Zusammenarbeit mit dem Betreuten gefährdet sieht. In solchen Fällen ist es der nach PsychKG zuständigen Stelle unbelassen, selbst eine Unterbringung zu bewerkstelligen.

Die Gesetze aus Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen enthalten keine Vor-und Nachrangregelung.

Brandenburg: Keine Vor- und Nachrangregelung enthalten; Betreuer ist antragsberechtigt zur PsychKG-Unterbringung, willigt der Betreuer nicht ein, so stellt die Gesundheitsbehörde den Antrag; sie soll u.a. die Betreuungsbehörde einbeziehen

Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein: Nachrang der PsychKG-Unterbringung insoweit, wenn eine Unterbringung nach dem BGB tatsächlich angeordnet worden ist, d.h.: öff.-rechtl. Unterbringung ist möglich, wenn zivilrechtliche Unterbringung unterbleibt.

In NRW sollte nach dem Regierungsentwurf des neuen PsychKG keine Unterbringung nach PsychKG möglich sein, wenn Unterbringung nach BGB angeordnet werden kann[4]. Bei gleichzeitiger zivil- und öffentlich-rechtlicher Unterbringung war die PsychKG-Unterbringung somit nachrangig.

Erstaunlich wäre hier die in NRW künftig beabsichtigte Formulierung gewesen, die streng genommen keine PsychKG-Unterbringung zugelassen hätte, soweit ein Betreuer eine Unterbringung veranlassen könnte. Was wäre hier jedoch in den Fällen, in denen, wie oben erwähnt, der Betreuer zu einem anderen Schluß kommt, die Unterbringungsnotwendigkeit verneint oder sich schlicht nicht um diese Frage kümmert? Die Begründung des Gesetzentwurfs befaßte sich leider nicht mit dieser Frage[5]. Jedoch ist dieser Versuch, die PsychKG-Unterbringung eindeutig nachrangig zu gestalten, nicht in die endgültige Gesetzesfassung aufgenommen worden. In der Begründung der Änderung des § 11 Abs. 3 heißt es: „Es wird klar gestellt, dass eine Vorrangigkeit des Betreuungsrechts vor Maßnahmen nach diesem Gesetz.nicht besteht. Bei einer Prüfung über den Vorrang der besseren Unterbringungsform ist es nicht zulässig, die Rechts‑ und Verfahrensgarantien der Unterbrin­gung nach diesem Gesetz mit einem zivilrechtlichen Unterbringungsverfahren zu umge­hen. Im Interesse der Betroffenen kann im Einzelfall die Maßnahme durchgeführt werden, die am effektivsten ist und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den geringsten Eingriff darstellt. Die Einrichtung einer Betreuung ist grundsätzlich langfristiger angelegt und kann für Betroffene belastender sein als eine kurzfristige Unterbringung nach diesem Gesetz.[6]

Fazit: die meisten Bundesländer, soweit überhaupt eine entsprechende Regelung besteht, überlassen dem Betreuer sozusagen den Vortritt, entscheidet sich dieser für eine Unterbringung (geht also sein Willen in diese Richtung), so erfolgt keine Unterbringung nach PsychKG.

Bundeseinheitliche Beteiligung von Betreuern an PsychKG-Unterbringungsverfahren

Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ist der Betreuer gem. § 70d Abs. 1 Nr. 3 FGG berechtigt, sich zu der Unterbringung zu äußern. Auf einen speziellen Aufgabenkreis wird dabei nicht abgestellt[7]. Die gerichtliche Entscheidung ist auch dem Betreuer bekanntzugeben (§ 70g Abs. 2 FGG). Auch bei der Aussetzung von Unterbringungen und deren Widerruf ist der Betreuer zu hören (§§ 70k Abs. 3 i.V.m. 70d Abs. 2 Nr. 3 FGG). Schließlich kann der Betreuer gegen Gerichtsentscheidungen zur Unterbringung die sofortige Beschwerde einlegen (§§ 70m Abs. 2 i.V.m. 70d Abs. 2 Nr. 3 FGG).

Verständig des Betreuers von der Untersuchung bez. der Unterbringungsnotwendigkeit

Die Gesetze in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, , Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein: enthalten hierzu keine Regelung. Vorgesehen ist die Benachrichtigung in NRW, Sachsen und Thüringen.

In Rheinland-Pfalz ist ausdrücklich erwähnt, dass die Untersuchung bez. der Unterbringungsnotwendigkeit nicht der Einwilligung des ges. Vertreters bedarf, wenn keine Eingriffe oder Untersuchungen mit wesentlichem gesundheitlichen Risiko erfolgen.

Verständigung des Betreuers von erfolgter PsychKG-Unterbringung

  • In Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen und Niedersachsen gibt es hierzu keine Regelung
  • In Bayern, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen ist der Betreuer zu benachrichtigen.
  • In Brandenburg ist auch die Zustimmung des Betreuers bei Verlegung in andere Einrichtung nötig.
  • In Bremen soll ein Verfahrenspfleger beim Vollzug der Unterbringungsanordnung hinzugezogen werden.
  • In Hamburg ist der Betreuer abweichend von den allgemeinen Regelungen des FGG bez. der Unterbringungsanordnung nach PsychKG nicht beschwerdeberechtigt.
  • In NRW soll eine Vertrauensperson von der sofortigen Unterbringung benachrichtigt werden, in Sachsen-Anhalt sollen Angehörige verständigt werden.
  • In Rheinland-Pfalz ist geregelt, dass die Vorführung zur Untersuchung und die Zuführung zur Unterbringung auch ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zulässig ist.

Fragen während des Vollzugs der Unterbringung

Vollzugsregelungen auch für Unterbringungen durch Betreuer?

Die zivilrechtliche Unterbringung durch Betreuer (§ 1906 BGB) enthält keine Vollzugsregelungen zur Gestaltung der Unterbringung. Hier erscheint es hilfreich, die Vollzugsbestimmungen der PsychKGe (z.B. Besuchsrecht, Hausordnung, Schriftverkehr) auch für die zivilrechtlichen Unterbringungen anzuwenden. Seltsamerweise hat sich nur das Land Brandenburg entschlossen, diesen Schritt ausdrücklich zu gehen. In NRW ist diese Frage anläßlich der Beratungen zum neuen PsychKG von einem Sachverständigen thematisiert worden[8], hat aber keinen Eingang in das Gesetz gefunden.

In den anderen Bundesländern dürfte sich jedoch aufgrund des gleichartigen Zwecks in der Regel eine analoge Anwendung empfehlen.

Einwilligung des Betreuers in ärztliche Behandlung während der Unterbringung

In allen Bundesländern bei Eingriffen mit erheblicher Gefahr für Leben und Gesundheit eine Einwilligung des Betreuers notwendig, wenn der Betreute einwilligungsunfähig ist. In Niedersachsen, dem Saarland und Sachsen gilt dies für jedwede Behandlung, in Brandenburg und Rheinland-Pfalz für jeden körperlichen Eingriff.

  • In Brandenburg, NRW und Rheinland-Pfalz ist darüber hinaus eine Erörterung des Behandlungsplans auch mit dem Betreuer vorgesehen, in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern gilt dies ebenfalls auf Wunsch des Betroffenen.
  • In Brandenburg und NRW sind freiheitsbeschränkende Maßnahmen auch dem Betreuer mitzuteilen.
  • In Thüringen ist der Betreuer auf Wunsch des Betroffenen nachträglich von stattgefunden unaufschiebbaren Behandlungen zu informieren.

Für den Betreuer gilt natürlich, dass er, sofern die Voraussetzungen des § 1904 Abs. 1 BGB vorliegen, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen hat. Diese ist unabhängig vom Unterbringungsbeschluss des Gerichtes.

Unbeschränkter Schriftverkehr des Untergebrachten gegenüber dem Betreuer

Ein solcher ist vorgesehen in Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, NRW, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen, nicht jedoch in Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt (dort werden nur Rechtsanwälte, Verteidiger und Notare sowie spez. Institutionen, in Niedersachsen auch Verfahrenspfleger genannt).

In Bremen und Mecklenburg-Vorpommern sind zurückgehaltene Briefe an den Betreuer auszuhändigen, sofern diesem die Postkontrolle nach § 1896 Abs. 4 BGB übertragen ist. In Hamburg gilt das gleiche, wobei als Empfänger allgemein der gesetzliche Vertreter genannt wird. In Hessen dürfen Briefe an den und vom Betreuer nur mit gerichtlicher Genehmigung zurückgehalten werden.

In Thüringen ist der Betreuer auch von stattgefundenen Durchsuchungen der Habe des Betroffenen zu informieren.

Unbeschränkte Besuche durch den Betreuer

Solche sind vorgesehen in Brandenburg, NRW und Schleswig-Holstein; in Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen ist so etwas nur für Rechtsanwälte und Notare vorgesehen. Überhaupt keine Erwähnung findet eine derartige Regelung in Baden-Württemberg. Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt.

Akteneinsicht durch, Datenschutz gegenüber Betreuer

Keine Regelung treffen Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen; in Berlin ist nur die Akteneinsicht des Betroffenen selbst geregelt; in Brandenburg ist eine Akteneinsicht an Vertrauenspersonen, wenn dem Betroffenem aus Gesundheitsgründung keine Einsicht gestattet wird sowie eine Datenübermittlung an Betreuer zulässig; Hamburg regelt Akteneinsicht des Betroffenen, seines Verfahrenspflegers und Verfahrensbevollmächtigten; Datenübermittlung in Betreuungs- und Unterbringungssachen ist zulässig. In Mecklenburg-Vorpommern werden schriftliche Anordungen auch dem Betreuer übermittelt, der Betreuer hat auch Akteneinsicht, Datenübermittlung wie in Hamburg. In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz ist eine Datenübermittlung an Betreuer zulässig; in NRW und Schleswig-Holstein ist die Einsichtnahme des Betreuers in Behandlungsplan, Krankenunterlagen und Dokumentation freiheitsbeschränkender Maßnahmen zulässig.

Verständigung des Betreuers über Beurlaubung und Entlassung

Wenn der Betroffene durch die Einrichtung entlassen oder beurlaubt ist, sind im Regelfall Handlungen des Betreuers nötig. Daher sollte er von diesen Maßnahmen Kenntnis erhalten. Vorgesehen ist die Benachrichtung des Betreuers wie folgt:

In Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NRW, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein: bei Beurlaubung nein, bei Entlassung ja (über § 70d FGG). In Bayern, Berlin, Brandenburg , Bremen und Schleswig-Holstein ist der Betreuer in beiden Fällen zu benachrichtigen, wobei in Brandenburg die Entlassung nur mit gerichtl. Entscheidung zulässig ist. Hamburg und Hessen treffen keine Regelung zu diesen Fragen. Rheinland-Pfalz und Thüringen sehen bei Beurlaubung eine Benachrichtigung vor, jedoch nicht bei Entlassung. Sachsen sieht die Benachrichtung bei der Entlassung nur bei einer vorläufiger Unterbringung vor. In Sachsen und Sachsen-Anhalt ist der Betreuer auch von einem freiwilligem Verbleib in der Einrichtung nach Ablauf des Unterbringungszeitraums zu informieren.

In Mecklenburg-Vorpommern, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen ist der gesetzliche Vertreter bei Aussetzungen der Unterbringung nach § 70k FGG der Einrichtung gegenüber bez. des behandelnden Arztes mitteilungspflichtig.

Stellung des Bevollmächtigten

Durch die im Rahmen des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes erfolgte Ergänzung des § 1906 und des § 70 FGG hat ein Bevollmächtigter, dem die Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen übertragen wurde, grundsätzlich die gleiche Rechtsstellung wie ein Betreuter. Das neue PsychKG NRW zieht daraus die Konsequenz, einen solchermaßen Bevollmächtigten auch bei Unterbringungen nach dem PsychKG gleichermaßen einzubinden wie den Betreuer. In den anderen Landesgesetzen findet der Bevollmächtigte bisher keine Erwähnung.

Rechtsprechung:

OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2006; 15 W 126/06, FamRZ 2007, 934 = FGPrax 2007, 190 - Patientenverfügung gegen Unterbringung?

Schließt eine mit einer Vorsorgevollmacht verbundene Patientenverfügung die stationäre psychiatrische Behandlung aus, so steht dies einer Unterbringung auf der Grundlage des § 11 PsychKG Nordrhein-Westfalen nicht entgegen, sofern der Vorsorgebevollmächtigte den Schutz des Betroffenen bei einer erheblichen Eigengefährdung nicht gewährleisten kann. Eine Behandlung gegen den Willen des Patienten ist aber nur bei akuter Fremdgefährdung gestattet.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 29.08.2007, 2 Ws 66/07 Vollz, FamRZ 2008, 300 = NStZ-RR 2008, 92:

Die erforderliche Zustimmung des Untergebrachten zu einer psychopharmakologischen Behandlung kann im Land Berlin nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BerlPsychKG durch die Zustimmung des Betreuers als des gesetzlichen Vertreters ersetzt werden. Dessen Entscheidung stellt für die behandelnden Ärzte eine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Ihre Rechtmäßigkeit kann nicht vom Vollzugsgericht, sondern nur vom Vormundschaftsgericht nachgeprüft werden.

BGH, Beschluss vom 11.08.2010, XII ZB 78/10:

§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB verlangt im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib oder Leben, wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung jedoch nicht überspannt werden dürfen. Die Prognose ist im Wesentlichen Sache des Tatrichters.

Siehe auch

Unterbringung, Unterbringungsverfahren, Zwangsbehandlung, unterbringungsähnliche Maßnahme

Literatur

Bücher

Zeitschriftenbeiträge

  • Bermann: Das Unterbringungsrecht in den neuen Bundesländern; NJ 1991, 211
  • Brosey: Psychiatrische Patientenverfügung nach dem 3. BtÄndG; BtPrax 2010, 161
  • Deinert: Betreuertätigkeit und Freiheitsentziehung nach den PsycKGen; BtPrax 2000, 191
  • Fischer: Die Natur der Rechtsbeziehungen zwischen psychiatrischen Landeskrankenhäusern und ihrer Patienten; NJW 1992, 1539
  • Greve: Psychisch Kranke. Das Beziehungsdreieck zwischen Klient, gesetzlichem Betreuer und gemeindepsychiatrischen Diensten. In: Zander, Karl-Heinz (Hrsg.):Rechtsfürsorge im Sozialstaat. Was ist die Aufgabe der Betreuung? Bochum 2005, 117
  • Gusy: Freiheitsentziehung und Grundgesetz; NJW 1992, 567
  • Helle, Patienteneinwilligung und Zwang bei der Heilbehandlung untergebrachter psychisch Kranker, MedR 1993,134
  • Krüger, Rolf: Bürgerlichrechtliche, öffentlichrechtliche und strafrechtliche Zwangsunterbringung, BtPrax 1992, 92
  • Leßmann: Zur Differenzierung von Zuweisungen und Unterbringungen nach PsychKG; R&P 2010, 132
  • Müller: Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie – Rechtliche Grundlagen, PflegeR 2010, 291
  • Neumann: Freiheitsentziehung und Fürsorge ím Unterbringungsrecht; NJW 1982, 2588
  • Olzen/von der Senden: Zulässigkeit stationärer Zwangsbehandlungsmaßnahmen im Falle der Unterbringung; JR 2007, 248
  • Pardey: Zur Zulässigkeit drittschützender freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 1906 BGB; FamRZ 1995, 713
  • Riedel: Freiheitsentziehende Maßnahmen gegen nicht betreute Personen wegen Selbstgefährdung; BtPrax 2010, 99
  • Röttgers/Lepping: Zwangsunterbringung und -behandlung psychisch Kranker in Großbritannien und Deutschland; PsychPrax 1999; 139
  • Sonnenfeld: Selbst- und Fremdbestimmung des Aufenthaltes Volljähriger; FamRZ 1995, 393
  • Wigge: Arztrechtliche Fragen des Unterbringungsrechts; MedR 1996, 291

Landesgesetze

Wissenschaftliche Untersuchungen

Weblinks

Fußnoten

  1. vgl. auch Rudolf Winzen: Zwang. 2. Aufl., München 1999
  2. in neueren Gesetzen als erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer bezeichnet
  3. oder bei Minderjährigen Eltern, Vormund oder Pfleger
  4. § 11 Abs. 3 PsychKG-NRW-Entwurf (NRW-Landtagsdrucksache 12/4063)
  5. NRW-Landtagsdrucksache 12/4063, S. 31
  6. NRW-Landtagsdrucksache 12/4467, S. 47
  7. Jürgens, Betreuungsrecht, § 70d FGG Rdnr. 2
  8. NRW-Landtagsdrucksache 12/4467, S.