Die praktische Bedeutung der Motivation im Pflegebereich

Aus Familienwortschatz
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Motivation gilt als ein Handlungsanreiz (neben anderen) zur Bedürfnisbefriedigung auf der Grundlage von Wollen, Können und Dürfen! Diese Voraussetzungen gelten generell für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Welche Bedeutung hat die Motivation im Pflegebereich?

Ein Referat bei einer Fortbildungsveranstaltung. Vergleiche dazu die Ausfühungen zu allgemeinmenschlichen Bedürfnissen nach Maslow.

D a s   W o l l e n

ist die erste und wichtigste Grundbedingung für eine gute Arbeitsleistung - im Sinne der eigenen Zielsetzung. Es ist u. a. abhängig vom Profil des Arbeitsbereiches, der Betriebsphilosophie, vom Pflegeleitbild, den Verdienstmöglichkeiten und auch von der Perspektive bezüglich der Qualifikationsmöglichkeiten. Nicht selten werden in der Praxis das Pflegeleitbild und die Betriebsphilosophie ganz anders erlebt, und daher als „Dichtung und Wahrheit“ empfunden. Das kann der erste Schritt zur Demotivierung|Demotivation sein.

Hat der Mitarbeiter das Interesse an seiner Arbeit verloren, ist zu prüfen, ob es in der vielfach beschworenen „kooperativen Führungsstruktur“ Lücken gibt – oft ist sie gar nicht vorhanden.

Es sind die Visionen, mit denen man Mitarbeiter begeistern und ihnen eine Orientierung geben kann. Eine Führungskraft ohne Visionen ist der Tod eines Unternehmens. Visionen ist dabei ein Ausdruck für durchaus erreichbare Ziele. Aber auch die Mitarbeiter haben Visionen, über die man sprechen sollte: Diese basieren nicht selten auf Berufserfahrung, Insiderwissen und einer emotionalen Kompetenz, die man nicht genug würdigen kann. Denn: Menschen erkennt man am besten daran, ob sie mit den Aufgaben, die ihnen anvertraut sind, verantwortungsvoll umgehen oder nicht.

Das trifft besonders für die Zusammenarbeit innerhalb der Sicherstellung einer hohen Qualität der Berufsausübung in allen Berufsgruppen zu. Diese Verpflichtung haben wir alle gegenüber unserer Patienten. Demotivierte, überlastete und unzufriedene Mitarbeiter werden eines Tages auch nicht mehr wollen - daraus folgt zwangsläufig auch, das spätere nicht mehr Können. Aufmerksame Manager greifen frühzeitig unterstützend ein, oft aber erst nach Hinweisen aus dem Team.

D a s   K ö n n e n

Eine wesentliche Voraussetzung zur optimalen Erfüllung einer Aufgabe ist eine grundlegende Ausbildung. Hierzu gehört nicht nur fachliches Wissen, also "handwerkliches Können", sondern auch die Kenntnis um den Aufbau und das Funktionieren des eigenen Arbeitsbereiches.

Höchste Priorität hat das anwendbare und auf den Patienten bezogene Fachwissen der einzelnen Pflegefachkraft, als Grundlage für das sachgerechte Handeln am Krankenbett. Es bedarf einer guten Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der ständigen Übung. Mit Sicherheit ist es in der Gesundheits- und Krankenpflege als auch in der Intensivpflege falsch, irrelevantes medizinisches „Überwissen“ höher zu stellen als situationsgerechtes Handeln am Krankenbett. Alle Mitarbeiter/-innen haben die Pflicht zur Fort- und Weiterbildung: Wer nach seiner Berufsausbildung keine Fachzeitschriften liest, für den Fort- und Weiterbildung ein Fremdwort ist, der sich nicht in seine Berufsgruppe aktiv einbringt, braucht sich nicht zu wundern, dass die Krankenpflege an Stellenwert verliert! Denn: „Bildung ist kein Besitzstand, sondern ein Wachstumsprozess, der nie endet“, schrieb einst Hans O. Henkel. Siehe auch Diskussionsseite dieses Artikels.

Das D ü r f e n

Mitarbeiter müssen das erworbene Wissen und Können anwenden dürfen, damit es sich entfalten kann. Dieses "Dürfen" hängt ausschließlich vom Führungsverständnis und Führungsstil der Verantwortlichen ab. Anweisungen, Kontrolle und Kompetenzverweigerung ersticken jede Eigeninitiative eines Mitarbeiters. Teamwork zeichnet sich durch Information, Diskussion, Kooperation, gemeinsame Auswertung und Anerkennung der Arbeitsleistungen aus. Menschen, die ein bestimmtes Potential haben, möchten es in der Regel auch gerne einsetzen. Dabei handelt es sich nicht nur um die "Erlaubnis", etwas Bestimmtes zu tun, sondern es geht auch um die Beseitigung betriebsinterner Hemmnisse zur Entfaltung. Wer auf Grund seiner Fähigkeiten etwas tun kann, es jedoch nie tun darf, wird es irgendwann einmal auch nicht mehr tun wollen.

Motivationskiller

So genannte Motivationskiller sind Unter-, Überforderung und Einengung

Unterforderung entsteht, wenn Mitarbeiter weit unterhalb ihres Könnens eingesetzt werden und ihr vorhandenes Potential nicht zum Einsatz bringen können. In der Praxis war es einst das althergebrachte Bild von der Krankenschwester/dem Krankenpfleger als dienstbarer Geist für alle anderen Berufsgruppen. Mit dem Berufsabschluss als Gesundheits-und Krankenpfleger/in dürfte dieses Zeitalter nun beendet sein.

Überforderung: Ein Mitarbeiter ist dauerhaft mit bestimmten Aufgaben überfordert, weil sie entweder sein Potential übersteigen oder weil er keine Chance hat, das nötige Wissen zu erwerben. Oft ist eine Ursache die Wahl des falschen Arbeitsplatzes. Die heutigen Arbeitsplätze unterliegen in der Regel spezifischen Anforderungen: Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz in der Funktionspflege (OP, Anästhesie, Intensivpflege). Dort ist die kooperative Zusammenarbeit zwischen Medizin und Pflege unabdingbarer Bestandteil der täglichen Arbeit, auch bei der Ausführung „übertragbarer ärztlicher Tätigkeiten“ durch ausgebildete Fachpflegekräfte.

Dazu passt nicht die drastische Reduzierung des Pflegepersonals, die in den letzten Jahren in deutschen Kliniken stattfand: Patienten können nicht mehr lege artis versorgt werden, die Infektionsrate und die die Kunstfehler sind häufiger geworden, das Pflegepersonal ist ausgebrannt, die Patienten zunehmend unzufrieden. Das sind Tatsachen die zur Demotivation, Überforderung und Krankheit der Betreuer führen. Daher ist es gerade in 2008/ 2009 / 2010 schwierig, über das Thema Motivation nachzudenken, denn die Rahmenbedingungen der Pflegenden zeigen Züge der Ausbeutung, die von Arbeitgebern und der Politik kommentarlos hingenommen wird.

Einengung: Der Mitarbeiter hat durch Regulierung keine Möglichkeit, die von ihm geforderten Ergebnisse mit den zu ihm passenden Wegen und Mitteln zu erreichen. (Fremdbestimmung der Pflege). Der/ dem Vorgesetzten kann man nichts recht machen, er/sie weiß alles „besser“, Machtausübung steht im Vordergrund. Bei Unwissenheit erteilt man eine Weisung.

Es fehlt die Wertschätzung der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter durch die Vorgesetzten. „Leiter“ greifen laufend in Arbeitsprozesse ein und haben jeden Tag eine andere Meinung. Die Entscheidungen von Oben sind für die Basis nicht nachvollziehbar.

Zu viele und zu penible Kontrollen durch den/ die Vorgesetzten sind ein Zeichen von Unsicherheit und Ängstlichkeit bezüglich des eigenen Arbeitsplatzes und eine Belastung für jedes progressive Team.

Motivationsarten und Unarten

Prinzipiell kann zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation unterschieden werden. Ein typisch extrinsischer Faktor ist der monetäre Anreiz. Geld spielt leider in unserer Zeit die größte Rolle. Die gesamte Arbeitswelt definiert sich über das Geld. Wer es hat ist König und erwirbt mit dem Geld oft auch Macht. Man kann damit auch Mitarbeiter „kaufen“, sofern sie sich benutzen lassen. In der Marktwirtschaft ist das keine Seltenheit, denn alle lieben das Geld. Ein altes Sprichwort sagt: “Geld versaut den Charakter“. Welche Verwerfungen die Anbetung des Geldes im Gesundheitswesen hervorbringt, ist gerade ab 2008 mehr als deutlich geworden: Ärzte und Pflegekräfte verlassen zunehmend dieses System, Dumpinglöhne im Osten und zunehmend auch im Westen Deutschlands führen in die Armut, viele können von der Arbeit nicht mehr leben und brauchen zusätzliche Sozialleistungen. Die Ursache: Demotivation! Das hat auch immer etwas mit der Unternehmensstruktur zu tun, und ebenso mit der Art von Kommunikation.

Die Kommunikations- und Unternehmenskultur betrifft folgende Schwerpunkte

  • Soziale Kontakte zu Kollegen und Vorgesetzten, das Führungs- Kommunikations- und Betriebsklima und das Image eines Hauses nach außen.
  • Wichtige, oft außer Acht gelassener Motivationsfaktoren ist ein breites Angebot an qualifizierten, abwechslungsreichen und praxisnahen Fortbildungen. In der Praxis sparen die Arbeitergeber jedoch an der Fort- und Weiterbildung. Das führt zur Überforderung und letztendlich zur Demotivation. Nicht selten geht dieser Weg weiter bis zum Burnoutsyndrom. Das ist immer dann der Fall, wenn der Mensch zur Ware wird.
  • Ein weiterer überaus wichtiger Motivationsfaktor von Seiten der Vorgesetze sind Lob und konstruktive Kritik (Wertschätzung). Die Entsolidarisierung der Mediziner mit den Pflegenden führt allerdings genau in die entgegengesetzte Richtung.
  • Lob und Trost sind in dieser Berufsgruppe ein überaus wichtiges Instrument, da in der täglichen Arbeit – etwa mit unheilbar Kranken – ein direkt erlebbarer Erfolg oft nicht sichtbar ist.


Wie aber kommt man an die Bedürfnisse der Mitarbeiter heran?

Es gilt, die grundlegende Motivierung wieder neu zu beleben: das Interesse am Beruf. Die Lösung hierfür ist im Grunde einfach: mehr Abwechslung und interessante Herausforderungen. Wenn der Job keine Herausforderungen mehr bietet, beginnt erfahrungsgemäß der "Dienst nach Vorschrift". Jobrotation oder Fachwechsel bringen neue Aufgaben und machen den Alltag wieder interessant. Es steigt die Eigenmotivation und das Selbstwertgefühl. Innerhalb der Fachweiterbildung Intensivpflege und Anästhesie ist dieses Phänomen in jedem Lehrgang zu beobachten.

Die Forderung nach „Selbstverwirklichung“, kann im Pflegebereich nur eingeschränkt realisiert werden: Wenn jeder nur „sein eigenes Ego“ als allein Seligmachendes empfindet und durchsetzen will, ist keine gemeinsame Arbeitsaufgabe zu realisieren. Der Schlüssel ist ein „offenes Teamwork“, das wir als „Team- und protokollorientierte Behandlungsorganisation“ kennen. Grundlage (und gleichzeitig das Problem) ist immer eine gute Zusammenarbeit aller an Therapie und Pflege beteiligten Berufsgruppen. Die Vorteile dieser Behandlungsorganisation: Die Mitarbeiter fühlen sich bestärkt zum eigenverantwortlichen Arbeiten, das beschleunigt (verbessert die Arbeitsprozesse. Sie fühlen sich ernst genommen wenn sie ein Mitspracherecht haben – die Arbeitszufriedenheit steigt. Denn: Zufriedenheit und kreative Ideen helfen, Patienten besser zu versorgen.

Zur Motivation gehört ein grundsätzlicher Kulturwandel: Es geht dabei um das Vorbild sein, Leiter und Mitarbeiter müssen Zeichen setzen, vor allen Dingen aber ungute Rituale verändern und sich dafür Mehrheiten schaffen.

Veränderung verlangt von den Verantwortlichen und Mitarbeitern die Bereitschaft, gemeinsam radikal neue Wege zu gehen! Jeder kann einerseits die Veränderung einleiten, muss andererseits aber auch bereit sein, selber mitzumachen. Eine bewusste Veränderung kann immer nur im Einklang mit den beteiligten Menschen erfolgen. Das heißt auch, dass diese die Möglichkeit haben müssen, selber zu entdecken, wie wichtig eine Veränderung ist.

Denken wir doch öfter daran, dass die Spinner von heute oft die Erfinder von morgen sind und nehmen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als das was sie sein wollen: Unsere Partner in der Praxis und in der Schaffung positiver motivierender Veränderungen, den Nutzen haben wir und unsere Patienten!



Kurt Wanka für Pflegewiki: Manuskript einer Fortbildungsveranstaltung für den Pflegedienst. Eine Bitte: Für Ihre Meinung und Situationsbeschreibungen benutzen Sie bitte die Diskussionsseite dieses Artikels.


Siehe auch: