Analytische Psychologie

Aus Familienwortschatz
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Analytische Psychologie (A. P.) oder auch Komplexe Psychologie ist eine psychotherapeutische und psychologische Schule, die von Carl Gustav Jung nach dem Bruch mit Sigmund Freud (1913) gegründet wurde. In Deutschland vertreten durch die Deutsche Gesellschaft für Analytische Psychologie (DGAP) und die C. G. Jung-Gesellschaft. International vertreten durch die International Association for Analytical Psychology (IAFAP).

In Deutschland vertreten durch Institute in Stuttgart, Berlin und München.

Die A. P. wurde aus der Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs weiterentwickelt und wird bei leichten und schweren psychischen Erkrankungen angewendet. Eine Therapie bei einem A. P. Therapeuten kann in Deutschland über die Krankenkasse finanziert werden. Als tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie kann sie 50 bis 100 Std. mit 1 bis 2 Std. pro Woche umfassen. Als analytisch orientierte Therapie wird sie im Umfang von 80 - 300 Stunden im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen finanziert. In begründeten Einzelfällen kann das Volumen diese Zahl auch überschreiten. Es kommt jedoch nicht selten vor, dass Patienten die Therapie auch nach der Finanzierung durch die Krankenkasse fortführen, um Ziele der, der persönlichen Entwicklung, der Individuation, zu verwirklichen. Die analytische Therapie gilt als anerkannte und bewährte Therapieform, weshalb die Kosten einer Behandlung auch in anderen Ländern von den Krankenkasssen übernommen werden.

Einordnung

Die A. P. gehört zu den so genannten Einsichtstherapien, die darauf ausgelegt sind, dem Kranken die Einsicht in sein psychisches Leiden zu vermitteln und durch diese Einsicht Veränderungen im Handeln und Erleben zu ermöglichen. Wenn auch der Bedeutung der Einsicht dabei eine große Rolle zukommt oder zugeschrieben wird, so kommt doch der im Verlauf der Therapie entstehenden Beziehung sowie deren Analyse eine wichtige Bedeutung zu, um den Prozess der Auseinandersetzung sowohl einzuleiten als auch im Sinne des Patienten voranzutreiben.

Eine der Grundannahmen der analytischen Psychologie ist, dass psychische Störungen, ähnlich wie in der Psychoanalyse und der Individualpsychologie, durch einen Konflikt zwischen Erfüllung und Abwehr des Triebes (Freud) sowie der Überkompensation von Minderwertigkeitsgefühlen entsteht (Adler). Somit setzt auch die A. P. den Beginn einer psychischen Störung hauptsächlich in der Kindheit an. Darüber hinaus kann der Beginn auch in der Mitte des Lebens liegen, wo im Zuge des fortschreitenden Individuationsprozesses neue Lebensziele zu Konflikten führen.

Die A. P. sieht sich als prospektiv ausgerichtete Therapie, d. h., die Symptome einer psychischen Krankheit sind nicht nur schädliche Warnzeichen, sondern enthalten auch ein Streben auf etwas Positives hin.

Daraus leiten sich auch die Methoden ab, die zur Heilung einer psychischen Erkrankung führen sollen.

Methodik

Der Therapeut gewährt den Raum, das dem Patienten durch Traumanalyse, die Auseinandersetzung mit den Phänomenen von Übertragung/Gegenübertragung sowie aktive Imagination verdrängte oder aus anderen Gründen unbewusste Persönlichkeitsteile bewusst werden können. Die nachfolgende Auseinandersetzung kann dazu führen, dass die Patienten diese in ihre Gesamtpersönlichkeit integrieren und in der Folge für neue Handlungs- und Erlebensmöglichkeiten sehen und entwickeln.

Die Beziehung zwischen Patient und Analytiker ist vor allem durch den Passus der Dialektik und der Synthese geprägt. Die A. P. versteht darunter die vermehrte Beteiligung des Patienten an der Analyse. Der Analytiker bezieht den Patienten vermehrt ein und versucht mit ihm eine Beziehung aufzubauen, die eine Begegnung ermöglicht ohne die Unterschiede in den Realitäten der Beziehung (Patient/Arzt etc.) zu verleugnen. Dies steht im Gegensatz zu den Methoden der Psychoanalyse, welche (in der klassischen Ausprägung) eine distanzierte Beziehung als Ideal der Behandlung ansieht.

Carl Gustav Jung

Eine besondere Rolle in der Analytischen Psychologie spielen die aus der Persönlichkeitstheorie von Carl Gustav Jung abgeleiteten Strukturen der Seele. Das Ich ist das Zentrum des Bewusstseins und interagiert mit den oft im Unbewussten liegenden sonstigen Komplexen. Komplexe sind Konstellationen, welche die bewusste Einstellung stören können und sich zumeist um einen bestimmten Kern bilden, z. B. eigene Minderwertigkeit. Archetypen des kollektiven Unbewussten sind ererbte Möglichkeiten der Wahrnehmung, des Denkens und des Fühlens. Sie können durch individuelle Erfahrungen aktiviert werden.

Beispiel: Ein bestimmter Archetyp ruht im Unbewussten und wird mit dem äußeren Bild aktualisiert. Dieses äußere Bild entspricht einer seit Menschengedenken immer wiederkehrenden Situation wie die der Mutter für das neugeborene Kind. Der Säugling ist somit kein unbeschriebenes Blatt Papier. Er erwartet eine bestimmte Person, die ihn umsorgt. Da Bilder, wie das der Mutter, nicht vererbt werden könne, nimmt die AP an, dass es bestimmte grundlegende Strukturen im Unbewußten gibt, welche z. B. den Neugeborenen erwarten lassen, dass eine Person für ihn da ist, ihn umsorgt und an die er sich bindet, um so die ersten und wichtigsten Dinge zu lernen. Dieses erprobte "evolutionäre" Konzept (Säugling - Bezugsperson) hat eine recht komplexe Interaktion zwischen Mutter und Kind zufolge.

Ein weiteres Beispiel für einen Archetypus ist der des gegengeschlechtlichen Sexualpartners. Dieser spezielle Archetyp wird, wie zu erwarten, ab der Pubertät wichtig. Er enthält nun sowohl die ererbten als auch die durch "reale" Erfahrungen geprägten Vorstellungen, von dem was man am Gegengeschlecht leiden mag oder nicht. Daraus entsteht ein dynamisches Bild von einem Geschlechtspartner, welches Liebe und sexuelle Lust erregt, und sich durchaus von dem bewussten Vorstellungen von einem idealen Partner unterscheiden kann. Meist besteht dieser Archetyp auch aus unbewussten gegengeschlechtlichen Anteilen und spielt eine besondere Bedeutung für die psychische Entwicklung des Individuums.

Die Archetypen bilden in der theoretischen Fundierung der P.A. auch die Grundlage für unsere Interaktion mit anderen Menschen. Da die archetypischen Grundstrukturen äußeren Bildern eine "archetypische" (allgemeinmenschliche) Bedeutung geben, kann man sie am besten in Träumen und Symptomen sowie in bestimmten Handlungen untersuchen. Diese können mit Berichten von Märchen, Mythen und religiösen Schriften aus allen Jahrhunderten verglichen werden, um so auf die spezielle Bedeutung des einzelnen, symbolischen Traumes zu gelangen, und somit eine Vostellung von dem dahinterliegenden archetypischen Strukturen geben.

Gegenwart

In den letzten Jahren gab es vermehrt Forschung auf dem Gebiet der Übertragung, Gegenübertragung und Widerstände sowie der Entwicklungspsychologie. Die Erkenntnisse der bildgebenden Neurologie (Magnetresonanztomografie) scheinen manche Tiefenpsychologie-Konzepte der Persönlichkeit zu bestätigen.

Kritik

Kritisiert wurde die Analytische Psychologie vor allem von S. Freud und seiner Schule, der Psychoanalyse. Die Kritik, richtet sich vor allem an die Auffassung des Unbewussten, dass in der A. P. sehr weitgefasst ist. So bezweifeln die meisten Psychoanalytiker, dass bestimmte Bahnungen von Vorstellung im Sinne der Archetypenlehre vorgefunden werden können. Die Psychoanalyse sieht die Inhalte des Unbewussten lediglich aus der persönlichen Vergangenheit determiniert. Obwohl sich die beiden Schulen der Tiefenpsychologie in vielem gleichen, haben viele spezielle Annahmen in der Vergangenheit und Gegenwart zu Zerwürfnissen geführt, die sich erst jetzt langsam annähern (siehe hierzu: A. Samuels, „Jung und seine Nachfolger“ Klett Kotta, Stuttgart 1989).

Darüber hinaus wird die Tiefenpsychologie auch aus den Reihen der sog. Akademischen Psychologie kritisiert, insbesondere dass die Theorien und Modelle der Tiefenpsychologie durch „unwissenschaftliche“ Methoden gefunden worden seien. Die sog. Akademische Psychologie gründet sich auf der Bewusstseins- und Verhaltenspsychologie. D. H., dass die Grundannahmen der Akademischen Psychologie, einige spezielle Methoden und Ansichten und auch ihre Ergebnisse empirisch, statistisch nachweisbar sind. Zwar gründet sich die A. P. und die Psychoanalyse ebenfalls auf empirischen Methoden allerdings werden diese bezweifelt, da sie nur schwer oder über Umwege nachzuweisen sind. Des Weiteren bedient sich die Tiefenpsychologie auch anderer wissenschaftlicher Methoden, die den Geisteswissenschaften zuzuordnen sind, vor allem der Hermeneutik, des Konstruktivismus', der Systemtheorie (Psyche als System) sowie der Phänomenologie. Zwar lässt sich heute das Unbewusste, welches zumeist der Stein des Anstoßes ist, statistisch nachweisen, und auch die moderne Bewusstseinspsychologie (Kognitivismus) nimmt an, dass es ein Unbewusstes gibt. Aber viele sehr spezielle Aussagen der Tiefenpsychologie hinsichtlich der Inhalte und der Struktur des Unbewussten werden als unwissenschaftlich betrachtet. Auch hier haben sich die Tiefenpsychologie und die sog. Akademische Psychologie angenähert. Es finden allerdings zur Zeit vermehrt Debatten über die Wissenschaftlichkeit statt. Diese sind momentan nicht sonderlich objektiv und von berufspolitischem Geplänkel durchzogen.

Bedeutende Vertreter

Carl Gustav Jung; Erich Neumann; Verena Kast; H. Dieckmann; Mario Jacoby; James Hillmann; Andrew Samuels; M. Fordham; C. A. Maier; Aniela Jaffé; M. L. v. Franz; G. Adler; Lopez-Pedraza; M. Stein; J. Jacobi; Eb. Jung; E. Jung;

Literatur

  • Jolande Jacobi: Die Psychologie von C.G. Jung. Eine Einführung in das Gesamtwerk. Fischer Taschenbuch 6365, ISBN 3596263654


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