Bezugspflege und die Mitarbeiterzufriedenheit

Aus Familienwortschatz
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Wie und wie stark wirkt sich Primary Nursing, u. a. durch die erhöhte Entscheidungsbefugnis der einzelnen Pflegekraft, auf die Zufriedenheit des Pflegepersonals aus? Es gibt sowohl Studien, die auf positive Effekte verweisen, wie solche, die keine statistisch signifikanten Auswirkungen des Primary Nursing auf die Zufriedenheit ermitteln. Hier werden methodische Probleme erörtert.

Hintergrund: Primary Nursing und Zufriedenheit

Marie Manthey entwickelte das Pflegekonzept „Primary Nursing“ im Gegenzug einer „Entprofessionalisierung“ der Pflege in den USA. Durch Mantheys Annahme, dass gerade das mangelnde Professionsbewusstsein innerhalb der Pflege eine zunehmende Unzufriedenheit bei allen am Pflegeprozess Beteiligten auslöse, erklärt sich ihr auf Autonomie und erhöhter Entscheidungsbefugnis beruhendes Strukturkonzept (15).

Die Frage danach, welche Auswirkungen Primary Nursing vor diesem Hintergrund tatsächlich auf die Zufriedenheit von Pflegekräften hat, erscheint daher gerechtfertigt. Die Relevanz dieser Frage zeigt sich überdies auch im Einfluss von beruflicher Zufriedenheit auf weitere, für die Pflege bedeutsame Faktoren. So konnte in wissenschaftlichen Studien ein Zusammenhang zwischen beruflicher Zufriedenheit und Burn-Out Gefährdung des Pflegepersonals aufgezeigt werden (1). Mehrfach wird auf einen direkten Bezug zwischen Zufriedenheit und Organisationsprozessen am Arbeitsplatz hingewiesen (1). Im Rahmen seines besonderen Professionsgedankens kann Primary Nursing gegebenenfalls eine Veränderung solcher Organisationsprozesse hervorbringen (15). Wissenschaftliche Studien weisen bereits auf eine positive Beeinflussung der beruflichen Zufriedenheit durch eine Erhöhung der Eigenverantwortung von Pflegekräften hin (4, 6, 9). Hierin wird darüber hinaus auch ein Lösungsansatz für das Problem hoher Fluktuationsraten im Pflegeberuf vermutet (9), sowie eine direkte, positive Auswirkung auf die Pflegequalität (6). Autonomie im Pflegeberuf erweist sich als wichtiger, die Zufriedenheit begünstigender Faktor (14). Primary Nursing kann als Strukturkonzept betrachtet werden, welches genau diesen Autonomie-Gedanken beinhaltet. Von daher ist es gerade im Rahmen der fortschreitenden, internationalen Ausweitung des Primary Nursings interessant und wichtig zu ermitteln, ob und in wiefern das gesamte Konzept die berufliche Zufriedenheit ähnlich begünstigt.

Methodische Vorgehensweisen und Probleme

Die Frage nach dem Einfluss Primary Nursings auf die Zufriedenheit des Pflegepersonals wurde seit Einführung dieses Konzepts vielfach in qualitativen und quantitativen Studien untersucht. Trotz der zahlreich durchgeführten Studien, lassen sich jedoch bis heute keine übertragbaren oder generalisierbaren Aussagen bezüglich der zu untersuchenden Effekte treffen. Eine Vergleichbarkeit oder Übertragbarkeit der unterschiedlichen Studienergebnisse ist auf Grund folgender Aspekte nicht möglich:

  • Heterogenität und mangelnde Qualität der Messinstrumente (2,11)
  • Fehlender Konsens über geeignete Indikatoren zur Zufriedenheitsermittlung (11)
  • Verzerrungen durch Mängel im Studiendesign, z.B. fehlende Randomisierung, Fehlende Verblindung, unzureichende Kontrolle über Störgrößen, die die Zufriedenheit beeinflussen (12)
  • Unterschiedliche, nicht vergleichbare Studiensettings, wie beispielsweise Intensivstationen, Geriatrische Stationen etc.
  • unterschiedliche Umsetzungen des Primary Nursing Konzeptes , wie z.B. Differenzen im theoretischen Hintergrundwissen der Mitarbeiter, sowie in der Methodik der Einführung des Konzeptes, etc.

Neben methodischen Mängeln ist eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse also vor allem auf Grund der heterogenen Rahmenbedingungen nicht gewährleistet (2). Neben Quantitativen Erhebungen wurden und werden die Auswirkungen Primary Nursings auch in qualitativen Studien untersucht. Zur Erfassung dienen hierbei qualitativ ausgerichtete Fragebögen, sowie themenzentrierte, narrative Interviews. Auch hier muss von einer Generalisierbarkeit der Ergebnisse abgesehen werden. Jedoch können im Rahmen der meist ausführlicheren Aussagen der Studienteilnehmer, individuelle Begründungszusammenhänge und somit potentielle Korrelationen zwischen Primary Nursing und beruflicher Zufriedenheit angedeutet werden.

Zu den bisherigen Ergebnissen

Die oben beschriebenen Probleme können als Erklärungsansatz für die Vielfalt unterschiedlicher Studienergebnisse dienen. So werden einerseits positive, andererseits negative Auswirkungen des Primary Nursings auf die berufliche Zufriedenheit beschrieben (2). Andere Studien wiederum verweisen darauf, keine statistisch signifikanten Auswirkungen des Primary Nursing auf die Zufriedenheit ermittelt zu haben (2). Bislang können lediglich Hinweise über die Wirkung einzelner Teilkomponenten des Primary Nursings entnommen werden. So scheint die Möglichkeit einer engeren Beziehung zu Patienten zunächst positiven Einfluss auf die Zufriedenheit des Pflegepersonals auszuüben (3,10). Es gibt jedoch auch Hinweise, dass gerade die Beziehung zu Langzeitpatienten und deren Angehörigen negative Gefühle über ein „genervt sein“ bis hin zu Stress und Druck hervortreten lassen (3,5). Erhöhte Eigenverantwortung, Autonomie und Entscheidungsbefugnis werden seitens des Pflegepersonals vielfach positiv empfunden (2,12). Vereinzelte Hinweise auf mangelnde theoretische Kenntnisse zum Primary Nursing, schlechte Kommunikationsstrukturen, inadäquate Pflegedokumentation, sowie Gefühle von Isolation und Überforderung des Pflegepersonals (3,10, 13), verweisen außerdem auf eine starke Abhängigkeit der Zufriedenheit von der individuellen Umsetzung des Konzeptes (10).

Fazit

Die berufliche Zufriedenheit erweist sich für die Pflege als relevanter, aber gerade im Zusammenhang mit spezifischen Interventionen, schwer messbarer Faktor.

Es besteht nach wie vor Bedarf, ein geeignetes Instrument zur Zufriedenheitsermittlung zu entwickeln, welches tatsächliche Ursache-Wirkungsmechanismen aufdecken kann.

Aufschlussreich könnten Studien in diesem Kontext vor allem dann werden, wenn sie Zusammenhänge zwischen konkreten Strukturelementen und der Zufriedenheit des Personals aufzeigen (2). Aktuelle Studien sind daher weniger um eine Untersuchung und Bewertung spezifischer Pflegekonzepte bemüht. Vielmehr geht es um ein allgemeineres Erforschen förderlicher Organisations- und Rahmenbedingungen.

Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2007 ermittelte in diesem Zusammenhang drei Kernfaktoren, die aus Sicht des Pflegepersonals in enger Korrelation zur Arbeitszufriedenheit stehen. Als einflussreichste Faktoren werden aufgeführt: Arbeitsstress, Beziehungen im multidisziplinären Team, sowie Autonomie (14). Eine finnische Studie ermittelte überdies, dass eine patientenorientierte Arbeitsverteilung, ausreichend Zeit für pflegerische Dokumentation, sowie eine Rechenschaftspflicht bzgl. der Patientenversorgung die Arbeitszufriedenheit insbesondere in Hinblick auf die Persönlichkeitsbildung des Pflegepersonals positiv beeinflusse (8).

Studien, wie diese zeigen, dass die Grundelemente des Primary Nursings ein großes Potential aufweisen, die berufliche Zufriedenheit des Pflegepersonals zu begünstigen. Zusätzlich weisen sie aber auch auf entscheidende, zu berücksichtigende Faktoren bezüglich der praktischen Umsetzung hin und können somit langfristig zu einer Verbesserung und Weiterentwicklung von Strukturkonzepten dienen.

Siehe auch

Literatur

  • (1) Aiken et al. (2001, 2002): Hospital Nurse staffing and patient mortality, nurse burnout, and job dissatisfaction. Journal of the American Medical Association, 288, 1987-1993
  • (2) Bond, S.; Thomas, L. (1991): Outcomes of nursing care: the case of primary nursing.(Review) , Int. J. Nurs. Stud, Vol.28, No.4, 291-314
  • (3) Goode, D.; Rowe K. (2001): Perceptions and experiences of primary nursing in an ICU: a combined methods approach. Intensive and Critical Care Nursing, 17, 294-303
  • (4) Green et al. (2004): Common Denominators: Shared Governance and Work Place Advocacy – Strategies for Nurses to gain control over their Practice. OJIN, Vol.9, No.1, Manuscript 6
  • (5) Jellinek, M. et al. (1994): Primary Nursing: Psychological Implications. Nursing Management, Vol.25, No. 5
  • (6) Manojlovich et al. (2007): Power and Empowerment in Nursing: Looking Backward to Inform the Future. OLIN, Vol. 12, No.1, Manuscript 1
  • (7) Mäkinen, A. et al. (2003): Organization of nursing care and stressful work characteristics. Journal of Adv. Nursing, 43 (2) , 197- 205
  • (8) Mäkinen, A. et al. (2003): Organization of nursing care as a determinant of job satisfaction among hospital nurses. J. Nurs. Manag., 11 (5) , 299-306
  • (9) Nevidjon et al. (2001): The Nursing Shortage: Solutions for the Short and Long Term. OJIN, Vol. 6, No. 1, Manuscript 4
  • (10) Perälä, M.; Hentinen, M. (1989): Primary Nursing: opinions of nursing staff before and during implementation. Int. J. Nurs. Stud., Vol. 26, No.3, 231-242
  • (11) Saane, N. (2003): Reliability and validity of instruments measuring job satisfaction – a systematic review. Occupational Medicine 2003, 53, 191-200
  • (12) Sellick, K. et al. (1983, 2003): Primary Nursing: an evaluation of its effects on patient perception of care and staff satisfaction. Int. J. Nurs. Stud., Vol.40, Issue 5, 545-551
  • (13) Weeks, LC et al. (1985): Primary Nursing. Teamwork is the answer. J.Nurs. Adm.; 15 (9) , 21-26
  • (14) Zangaro, GA; Soeken KL. (2007): A meta-analysis of studies of nurses`job satisfaction. (Metaanalyse) Res Nurs Health; 30 (4) , 445-458
  • (15) Manthey, M.: Primary Nursing- Ein personenbezogenes Pflegesystem. Hans Huber Verlag, 2.Auflage, 2005