Medizintechnik

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Medizintechnik, auch biomedizinische Technik, engl. Biomedical engineering genannt, ist die Anwendung von ingenieurwissenschaftlichen Prinzipien und Regeln im Gebiet der Medizin. Der Medizintechniker kombiniert Kenntnisse aus dem Bereich der Technik, besonders dem Lösen von Problemen und der Entwicklung, mit der medizinischen Sachkenntnis der Ärzte, der MTA und der Pflegefachleute und anderer Berufe, um die Diagnostik und Therapie, Krankenpflege, Rehabilitation von Patienten wie auch die Lebensqualität gesunder Einzelpersonen zu verbessern.

In die Medizintechnik werden vor allem angewandt: Medizinische Informatik, Signalverarbeitung physiologischer Signale, Biomechanik, Biomaterialien, Biotechnologie und Systemanalysen. , Erstellung von 3D Modellen etc. Beispiele sind die Herstellung biokompatibler Prothesen, medizinischer Therapie- und Diagnosegeräte, insbesondere der bildgebenden Verfahren und solcher zur Herstellung von Medikamenten.

Das deutsche Medizinproduktegesetz definiert sie als Produktionsverfahren: Medizintechnik erzeugt Geräte, Produkte und technische Verfahren, welche Medizinprodukte sind. Diese Definition umfasst auch Verbandsmaterialien, medizinischen Großgeräten und vollständigen Anlagen. Medizintechniker sind aber auch bei der Anwendung / Wartung erprobter Verfahren und der Reparatur von in der Medizin eingesetzten Werkzeugen etc. beteiligt.


Bereiche der Medizintechnik

Krankenhaustechnik

Krankenhaustechnik, auch Clinical Engineering genannt

Medizinische Geräte

Medizinprodukte sind in verschiedene Klassen eingeteilt, bei denen aktive und passive Medizinprodukte unterschieden werden und eine weitere Unterteilung in vier Risikoklassen I, IIa, IIb und III erfolgt.

Einige Beispiele sind Herzschrittmacher, Infusionspumpen, Herz-Lungen-Maschine, Dialysemaschinen, künstliche Organe, Sehhilfen, Cochleaimplantate, Prothesen aller Art und Zahnimplantate.

Bildgebende Diagnostik

Bildgebende Verfahren

Geräte der bildgebenden Diagnostik gehören zu den am häufigsten verwendeten und kompliziertesten Medizinprodukten in einem Krankenhaus. Je nach darzustellendem Gewebe kommen unterschiedliche Verfahren mit oder ohne Kontrastmittel zum Einsatz. Die einzelnen Verfahren erlauben es strukturelle (morphologische) und/oder funktionelle (physiologische) Informationen zu erhalten. Beispiele sind:

Ohne ionisierende Strahlung:

Mit ionisierenden Strahlen:

Tissue Engineering

  • Tissue Engineering erzeugt künstliche Organe für Patienten, die eine Organtransplantation benötigen.

Medizintechnische Industrie

Deutschland ist nach den USA und Japan der weltweit drittgrößte Produzent von Medizintechnik. Im Jahr 2004 betrug der Weltmarkt für Medizintechnik 184 Mrd. €. Auf Deutschland entfielen davon im Jahre 2004 ca. 20 Mrd. € für die Medizintechnik.[1] Der Umsatz in diesem Bereich wuchs zwischen den Jahren 1995 und 2003 um ca. 5.5 % pro Jahr.[2] Dennoch ist er gesamtwirtschaftlich und auch im Vergleich zur gesamten Gesundheitswirtschaft marginal. Umsätze und Beschäftigung machen in diesem Zeitraum in Deutschland nur 3 % des gesamten industriellen Sektors und etwa 8,5% der Gesundheitswirtschaft aus.

Unternehmen der Medizintechnik beschäftigten 2002 etwa 150.000 Arbeitnehmer[3] (zum Vergleich: deutsche Pharmaindustrie 113.000). In Deutschland sind die meisten Betriebe kleine und mittlere Unternehmen mit durchschnittlich 78 Angestellten. Die grösste Interessenvertretung in Deutschland ist der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) mit über 200 Unternehmen mit insgesamt über 100.000 Mitarbeitern.

Der weltweite Umsatz mit Medizintechnik betrug 2006 209 Milliarden Dollar [4]. Die größten Anbieter sind (Zahlen für 2007[5]):

in Europa (teilweise):

Gesetzliche Bestimmungen

Hauptartikel: Medizinproduktegesetz und Medizinproduktebetreiberverordnung

Gesetzliche Bestimmungen müssen auch immer im Hinterkopf eines Medizintechnik-Ingenieurs bleiben. Um Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen, müssen die Hersteller der meisten Medizinprodukte nachweisen, dass sie den Bedingungen und Genehmigungen entsprechend geführt, entworfen, erzeugt, geprüft, geliefert und benutzt werden. Der Sinn dieser Maßnahme ist es, die Qualität und Sicherheit der Diagnostik und Therapie zu erhöhen, indem die Wahrscheinlichkeit verringert wird, versehentlich wichtige Schritte auszulassen.

In Europa wird die Entscheidung, ob ein Medizinprodukt verwendet wird, vom verschreibenden Arzt getroffen, und die bestehenden gesetzlichen Regelungen sollen sicherstellen, dass sie auch den Erwartungen des Arztes entsprechend funktionieren. Aus diesem Grund werden Medizinprodukte von Benannten Stellen zertifiziert. Technische Komitees führender Wissenschaftler schreiben Empfehlungen, die nach Diskussion und der Einbeziehung öffentlicher Kommentare in Richtlinien der EU verfasst werden. Diese Richtlinien sind je nach Produkt unterschiedlich und beinhalten Vorschriften für das Testen der Sicherheit und Effektivität eines Medizinproduktes. In der EU dürfen Medizinprodukte nur in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn diese mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind. Die nationalen gesetzlichen Regelungen für Medizinprodukte befinden sich im Medizinprodukterecht, die sowohl in Deutschland als auch in Österreich im jeweiligen nationalen Medizinproduktegesetz (MPG), sowie in Deutschland zusätzlich in der Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) und dem Gesetz über das Mess- und Eichwesen zu finden sind.

Ausbildung

Mehrere Berufsbilder: staatlich geprüfte Techniker, Fachrichtung Medizintechnik und der Dipl.-Ingenieur für Medizintechnik oder neuerdings Bachelor of Science bzw. Master of Science in Biomedical Engineering.

Ausbildungsberuf Medizintechniker

Medizintechniker haben eine qualifizierte Berufsausbildung im Metall- oder Elektrobereich abgeschlossen und sich zusätzlich weiterqualifiziert. Dies kann entweder durch eine mehrjährige praktische Berufserfahrung mit medizintechnischen Geräten oder durch einer zweijährigen Weiterbildung an einer Technikerschule mit dem Abschluss zum „staatlich geprüfter Techniker, (Fachrichtung) Medizintechnik“ erfolgen.

Medizintechnikstudium

In Deutschland werden die bisherigen Diplomstudiengänge der Fachhochschulen gerade in ein Bachelor-/Masterprogramm umgestellt. Das Studium der Medizintechnik umfasst fundierte Grundlagen sowohl im Bereich Ingenieurwissenschaften als auch biologischer Wissenschaften, z. B. Physiologie, und wird daher meist mit einem Bachelor of Science abgeschlossen. Die Zahl der Hochschulen, die diesen Studiengang anbieten, wächst stark, da auch das Forschungsgebiet ständig wächst. So entstehen zur Zeit auch Studiengänge an den Universitäten (zum Beispiel Lübeck), so dass die Hochschulen vom Bachelor über den Master bis zur Promotion verschiedenste Abschlüsse anbieten.

An den Universitäten ist es auch weit verbreitet, dass eine Spezialisierung in Richtung Medizintechnik im Rahmen von Ingenieur- oder Physikstudiengängen angeboten wird (z. B. Aachen, Berlin, Karlsruhe, München).

Die deutsche Gesellschaft für Biomedizinische Technik (DGBMT), eine Fachgesellschaft in dem Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik, unterteilt die Themen für das Studium der Medizintechnik folgendermaßen:

  1. Medizinische Physik
    1. Strahlenschutz
    2. Dosimetrie & Bestrahlung
    3. Modellierung & Simulation
  2. Medizinische Informatik
    1. Statistische Methoden
    2. Biosignalverarbeitung
    3. Kommunikation & Informationssysteme
    4. Digitale Bildverarbeitung, Computergrafik
  3. Biomedizinische Technik
    1. Bildgebende Verfahren, Röntgen, Computertomographie, Magnetresonanztomographie, Sonographie ... SPECT, Positronen-Emissions-Tomographie
    2. Herzschrittmacher
    3. Minimalinvasive Chirurgie
    4. Robotik
    5. Laser
    6. Dialyse
    7. Elektromedizin, Biomedizinische Messtechnik, Monitoring
    8. Rehabilitation
  4. Klinik-Ingenieurwesen
    1. Biomechanik
    2. Biomaterialien
    3. Molekularbiologie, Cellular & Tissue Engineering
    4. Hygienetechnik
    5. Labor & Analysentechnik
    6. Zulassung von Medizinprodukten

Dabei stellt die DGBMT die Themen in einem Kreis dar und ordnet sie den einzelnen Oberbegriffen mehr oder weniger exakt zu.

In den USA ist es häufig ein Master- oder PhD-Programm, in dem Studierende aus verschiedensten Studienfachrichtungen im Bereich Ingenieurwissenschaften oder Naturwissenschaften ihre Kenntnisse vertiefen. Aber auch als Bachelor-Programm ist es stark am Wachsen. Häufig wird es aber auch als Bachelor-Studium vor dem Beginn eines Medizinstudiums genutzt, da es den Studenten Grundlagen aus einem weiten Feld vermittelt.

Forschung

Medizintechnische Forschung kann naturwissenschaftlich-technische Grundlagenforschung sein, die mögliche Anwendbarkeit in der Medizin verspricht. Es kann sich auch um dediziert medizintechnische Grundlagenforschung handeln, um Vorlaufforschung mit eindeutigem Produktbezug oder um technische Produktentwicklung.

Die Unternehmenslandschaft ist äußerst heterogen (zwischen 1 und 10.000 Mitarbeitern, F&E-Etats zwischen 0 und 50 % des Umsatzes). Insgesamt ist die Medizintechnik aber ein Teilbereich mit überdurchschnittlich hohem Forschungsanteil. Der branchendurchschnittliche Kostenanteil für Forschung und Entwicklung ist ca. 9,5 % vom Umsatz; 14,7 % der Beschäftigten sind forschend tätig (2001). Deutsche Unternehmen halten die zweithöchste Anzahl an einschlägigen Patenten (nach US-amerikanischen Firmen) und machen 50 % ihres Umsatzes mit Produkten, die weniger als zwei Jahre lang auf dem Markt sind.

Da die Inhalte der industriellen Forschung geheim sind, beziehen sich amtliche Statistiken vorwiegend auf den öffentlichen Sektor in Hochschulen und Instituten (Fraunhofer-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft, etc.). Die u.g. Bestandsaufnahme des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (s. Weblinks) erfasst über 1100 öffentliche medizintechnische Forschungsprojekte in Deutschland. Diese haben die Schwerpunkte Informationstechnik, Bildgebende Verfahren, Biomaterialien, Zell- und Gewebetechnik. Der diesbezügliche Etat des BMFT beträgt ca. 35 Mio. € pro Jahr.

In der internationalen Literatur sind "Bildgebende Verfahren" (MRT, Röntgen, Endoskopie) das mit weitem Abstand bedeutendste medizintechnische Forschungsgebiet. Die Bedeutung der einzelnen Länder folgt der wirtschaftlichen Situation. Deutschland hält einen Anteil von ca. 15 %, es ist insbesondere führend (mit 60 % aller Veröffentlichungen) bei den Themen "Multislice-CT" und (mit 40 %) "Kernspintomografie".

Medizintechnik in einem Universitätskrankenhaus

Das Inselspital in Bern (Universitätskrankenhaus) hat über 12.000 medizintechnische Geräte und Systeme mit mehr als 3700 Gerätetypen, die sich auf etwa 850 Gerätekategorien verteilen [6].

Kosten der Medizintechnik

Die effektiven direkten Ausgaben für die Medizintechnik werden auf 5 % der gesamten Gesundheitsausgaben geschätzt [7], nach Fasmed auf weniger als 5% (Medizintechnik in der Schweiz). Pammolli et al. geben für die Schweiz 4,5% an (2002). Gemäss dem europäischen Dachverband der Medizinprodukte-Unternehmen Eucomed sind es 6,4% in Europa, 4,6% in der Schweiz (1'363 Mio €) und 5,1% in den USA und Japan. Basys nennt für Europa 7,9%. Nach einer anderen Studie sind es in Deutschland 10% (Study on the value of medical devices).

Zu diesen direkten Kosten kommen allerdings die erheblichen indirekten Ausgaben und die Folgekosten in unbekanntem Ausmass:

  • Die Innovation kann für immer mehr Indikationen und Anwendungen eingesetzt werden.
  • Mit der Innovation werden bisher nicht therapierbare Krankheiten behandelt.
  • Ausweitung des Krankheitsbegriffs.
  • Die Medizintechnik erhöht die Zahl der Behandlungen aus verschiedenen Gründen: tiefere Kosten der einzelnen Behandlung, weniger Risiken und Schmerzen reduzieren die Hemmschwelle der Anwendung. Dazu kommen finanzielle Interessen der Behandler.
  • Medizintechnische Innovationen können zur Lebensverlängerung und damit zu zusätzlichen Gesundheitsausgaben führen (Pammolli et al.).

Ganz abgesehen vom medizinischen Nutzen für die Patienten gibt es aber auch Einsparungen durch medizintechnische Geräte. Beispiele: raschere und bessere Diagnose, kürzere Hospitalisation und Rekonvaleszenz, kürzere Operationsdauer, weniger Arztkonsultationen (z. B. durch Telemedizin) und Pflegebedürftigkeit, geringere Arbeitsunfähigkeit und Berentung. [8].

Literatur

  • Armin Gärtner: Medizintechnik und Informationstechnologien - Bd. 2. - Bildmanagement. TÜV-Verlag, Köln 2005, ISBN 3-8249-0941-3.
  • Fachzeitschrift mt - medizintechnik - Organ des VDI-Fachgebietes Medizintechnik und Organ des Fachverbandes Biomedizinische Technik. TÜV Rheinland, Köln, sechs Ausgaben jährlich, ISSN 0344-9416.
  • Rüdiger Kramme (Hrsg.): Medizintechnik - Verfahren - Systeme - Informationsverarbeitung. Springer Verlag, Heidelberg, 2007 - 3. Auflage. ISBN 3-5403-4102-1.

Siehe auch


Weblinks

  • Maren Wernecke :Die Arzthelfer - Medizintechniker sorgen mit ihren Erfindungen dafür, dass Menschen wieder gehen oder sehen können. Ein Besuch bei den Gesundmachern. In: Die Zeit vom 11.12.08 S.

Medizintechnik

en:Biomedical engineering



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Stand vom 10. Dezember 2008
  1. Bundesamt für Statistik 2006
  2. Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.): Themenschwerpunkte – Gesundheit – Medizinprodukte [Stand 2005-04-12]
  3. K. Hornschild, S. Raab, J.-P. Weiss: Die Medizintechnik am Standort Deutschland – Chancen und Risiken durch technologische Innovationen, Auswirkungen auf und durch das nationale Gesundheitssystem sowie potentielle Wachstumsmärkte im Ausland. 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage. DIW Berlin, Berlin 2006, ISBN 3-938762-06-3, S. 15 (PDF-Datei; 9,9 MB)
  4. http://acmite.com/index.php?site=study_medical
  5. Rüdiger Köhn, "Philips erobert die Kunden im Schlaf" in: F.A.Z., 24.06.2008, S. 17
  6. Gesundheitswesen Schweiz 2007-2009, Verlag Hans Huber, Bern 2007, ISBN 978-3-456-84422-0
  7. Stella Fuhrer/Peter Frei in: Kompetenzzentrum Medizintechnik
  8. Gerhard Kocher: Medizintechnik. In: Gerhard Kocher, Willy Oggier (Hrsg.): Gesundheitswesen Schweiz 2007-2009 - Eine aktuelle Übersicht. 3. Auflage. Hans Huber, Bern 2007, S. 193-210