Problemzentriertes Interview

Aus Familienwortschatz
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Das problemzentrierte Interview (PZI) gehört zu der Kategorie der Leitfadeninterviews.

Das von Witzel (1982, 1985) vorgeschlagene problemzentrierte Interview kommt vor allem in der Psychologie zur Anwendung. Anhand eines Leitfadens, der aus Fragen und Erzählanreizen besteht, werden insbesondere biographische Daten mit Hinblick auf ein bestimmtes Problem thematisiert. Die Offenheit der Interviewdurchführung ist bedeutsam, die interviewte Person soll frei antworten können.


Einsatzbereich

  • bei stärker theoriegeleiteter Forschung und größerer Stichprobe
  • zur Hypothesengenerierung bei subjektiven Realitätswahrnehmungen und – verarbeitung mit evtl. Theorieentwicklung
  • bei Vorliegen einer Fragestellung, die ein bestimmtes psychologisches, gesellschaftlich oder biographisch relevantes Problem (Sozialisationsprozesse etc.) thematisiert
  • wenn ein Vertrauensverhältnis/ gute Gesprächsatmosphäre zwischen den Beteiligten entstehen kann

Instrumente

  • Kurzfragebogen und Literaturanalyse zur vorläufigen Hypothesenbildung zum objektiven Problem
  • Interviewer legt diese nicht offen
  • Erzählprinzip, von allgemeinen zu spezifischen Sondierungsfragen
  • Flexible, gegenstandsorientierte Methodik: das Gespräch prozesshaft auf die subjektive Problemsicht des Befragten zuspitzen
  • Postscripte zum Festhalten persönlicher Eindrücke


Datenerhebung

Datenerhebung durch:

  • Demographische Daten in Kurzfragebogen erfassen
  • Leitfaden mit Vorüberlegungen als Gedächtnisstütze und Orientierung
  • Tonband
  • Postsciptum (Gesprächsnotizen) nach dem Interview


Methoden

Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Methodenkombination von:

  • qualitativem Leitfadeninterview
  • Fallanalyse
  • Biographischer Methode
  • Gruppendiskussion
  • Inhaltsanalyse
-> ein Problembereich wird mit verschiedenen Methoden betrachtet und analysiert

zentrale Kriterien

Drei zentrale Kriterien:

  1. Problemzentrierung (Orientierung an einem relevanten gesellschaftlichen Problem, z.B. Pflegeversicherung als Teil-Kasko-Versicherung)
  2. Gegenstandsorientierung des Verfahrens (betont die Flexibilität der Methode gegenüber den unterschiedlichen Anforderungen des zu untersuchenden Gegenstands, was bedeutet, dass der Interviewer seine Methode den Gesprächspartnern anpassen kann, z.B. Gruppeninterview, Narration etc.)
  3. Prozessorientierung (flexible Analyse des wissenschaftlichen Problemfeldes, schrittweise Gewinnung von Daten. D.h. das Interview wird prozesshaft auf die subjektive Problemsicht des Gesprächspartners zugespitzt. Nachfragen, Widersprüche aufdecken, etc. Durch den Prozess wird Vertrauen und Offenheit gefördert (motiviert zur Selbstreflexion).)

Bestandteile

Bestandteile des qualitativen Interviews (Lamnek 2005, S. 365 f.):

  • Phase I: Gesprächseinstieg: Festlegung des Problembereiches und Erläuterung der erzählenden Struktur.
  • Phase II: Allgemeine Sondierung: Vorgabe von Erzählbeispielen soll Interviewten zum erzählen anregen und zur Detaillierung zwingen. Emotionale Barrieren sollen dadurch abgebaut werden.
  • Phase III: spezifische Sondierungsfragen: In der spezifischen Sondierung kann der Interviewer durch Zurückspiegelung, Verständnisfragen oder Konfrontation mit Widersprüchen konkret Verständnis für sich schaffen.
  • Phase IV: Ad-hoc (direkte) noch nicht geklärte Fragen des Interviewers
  • Phase 0:Standardisierter Kurzfragebogen: meist zu Beginn, kann aber auch am Ende stehen
    • Aktiviert Gedächtnisinhalte
    • erste inhaltliche Auseinandersetzung mit Problembereich
    • Günstiger Einstieg in Phase I



siehe auch