Schmerzmanagement

Aus Familienwortschatz
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Schmerzmanagement setzt sich zusammen aus den Begriffen Schmerz und Management. Ziel des Schmerzmanagements ist, der Entstehung von Schmerz vorzubeugen, bestehenden Schmerz zu lindern oder auszuschalten. Der Patient wird begleitet und nicht allein gelassen in seinem Schmerz. Er erhält dazu Unterstützung und Anleitung von Arzt, Pflegepersonal sowie weiterer Berufsgruppen (z.B. Physiotherapeut, Psychologe), deren unterschiedliche Behandlungsansätze durch das Management koordiniert werden. Dadurch wird der Patient nicht allein medikamentös optimal eingestellt, sondern in seiner gesamten Persönlichkeit betreut. Der Patient soll möglichst viel Lebensqualität be- oder erhalten. Damit dieses Ziel erreicht wird, befasst sich das Schmerzmanagement mit:

  • Definitionen des Schmerzes
  • Anatomie / Biologie
  • Schmerzarten
  • Schmerzerfassung
  • Schmerztherapie
  • Schmerzprophylaxe (vor allem sekundär, vor weiteren … )


Vergleiche dazu auch: den Nat. Expertenstandard Schmerzmanagement zu akuten oder tumorbedingten chronischen Schmerzen vom DNQP (2005)

Definition "Schmerz" und Mythos

Definition

Schmerz ist das, was der Patient angibt, was er als Schmerz definiert (von Margo McCaffery).

Mythos Schmerz/ Bedeutung für den Patienten

Vorurteile, den Schmerz betreffend:

  • "Eine medizinische Behandlung ist immer mit dem Erleiden von Schmerz verbunden."
  • "Die Art des Eingriffs bestimmt die Schmerzintensität."
  • "Patienten geben Schmerzen adäquat an."
  • "Vor Schmerzbehandlung muss abgewartet werden, bis der Patient Schmerz äußert."
  • "Patienten, die guter Laune sind, können keine Schmerzen haben."

Anatomie Schmerz

Der Schmerz entsteht erst, wenn er im Gehirn angekommen ist. Für die Schmerzweiterleitung ist das Nervensystem verantwortlich. Das Nervensystem ist ein Teil des Organismus, das zur Reaktion des Körpers auf äußere und innere Einflüsse dient. Man unterscheidet dabei:

Schmerzwahrnehmung

Damit eine Nozizeption, also die Schmerzwahrnehmung und Verarbeitung des Schmerzes, entsteht, muss zunächst einmal ein Auslöser vorhanden sein. Man unterscheidet zwischen Auslöser und Einwirkung auf das Gewebe:

  • exogene Noxen: Der Schmerz wird durch äußere Einwirkung ausgelöst, z.B. ein Hammerschlag auf den Finger.
  • endogene Noxen: Innere Vorgänge lösen den Schmerz aus, z.B. der durch den Schlag verletzte Finger entzündet sich. Die Entzündung ist dann endogen bedingt.

Die exogene bzw. endogene Noxe wirkt auf das Gewebe und wird dann über einen Impuls über Nervenfasern weitergeleitet. Die nozizeptiven Nervenzellen nehmen das Schmerzsignal dabei entgegen. Die Schmerzsignale werden via primärer und sekundärer Nervenfasern zum Rückenmark und Gehirn geleitet. Erst dort angekommen wird Schmerz als solcher empfunden.


Das Gehirn hat bestimmte Regionen, in denen der Schmerz gespeichert wird:

  • Thalamus = zuständig für Berührung und Temperatur
  • Limbisches System = zuständig für Emotion
  • Hirnstamm= zuständig für das Schmerzbewusstsein (kann auch Erinnerungen hervor holen)
  • Frontallappen = zuständig für die Qualität des Schmerzes (stark/ mittel oder geringer Schmerz)

Schmerzarten

Man unterscheidet zwischen:

somatischer Schmerz

Betrifft: Die Haut, z.B. bei Nadelstich, oder bei Quetschung mit Tiefenschmerz das Bindegewebe, Knochen, Gelenke, Muskulatur (z.B. bei Muskelkrampf) Somatische Schmerzen sind meistens gut lokalisierbar, sind von der Belastung abhängig (Bewegungsapparat) und bei Weichteilen oft andauernd

Viszeraler Schmerz

Betrifft: Die Eingeweide, wie z.B. Gallenkolik, Ulkusschmerz, Appendizitis Viszerale Schmerzen sind z.B. hell, bohrend, beim Krampf kolikartig, dumpfer Schmerz ist meistens schlechter lokalisierbar

Zur Unterteilung der Schmerzarten gibt es neben diesen Schmerzarten noch weitere:

Akuter Schmerz

  • ist oft sinnvoll, da er auch zur Lebenserhaltung und dem Körper als Warnzeichen dient
  • fight or flight: Schutzreaktion
  • führt zur Ruhigstellung und fördert damit die Heilung
  • psychische Akzeptanz oft vorhanden
  • bei Verletzung (Unfall, postoperativ)
  • bei Entzündung (Zahnschmerz)

Chronischer Schmerz

  • länger als die Heilungszeit
  • keine sinnvolle Funktion
  • ist eine eigenständige Krankheit
  • geringe Akzeptanz durch das Umfeld
  • Beispiele: Arthrose, Osteoporose, PAVK= Periphere Arterielle Verschluß-Krankheit, Phantomschmerz, Rheuma
  • Beim chronischen Schmerz ist oft ein ständiger Schmerzreiz vorhanden, die Empfindlichkeit der Nerven steigt, Neuronen senden ohne Reiz, Rezeptoren der Zellmembran erhöhen die Empfindlichkeit und die Projektionszone (= Ausstrahlungszone) im Gehirn nimmt zu (z.B. Herzschmerzen mit der Projektionszone im linken Arm).

Neuropathischer Schmerz

chronischer neuropathischer Schmerz

  • schmerzhafte Symtomatik in Ruhe und nachts zunehmend; Schmerzäußerung wie: Brennen, einschießende oder stechende Schmerzen, unangenehmes Kribbeln (Parästhesie); Sensibilitätsverlust stark bis weniger stark; manchmal sind zudem auch die Muskelreflexe reduziert. Der neuropathische Schmerz tritt z.B. auf beim Diabetischen Fußsyndrom (DFS), auch als bestimmte Arten von Kopfschmerz (z.B. Migräne).

akuter, eher seltener neuropathischer Schmerz

  • symmetrische Schmerzen an den Beinen; kann mit Beginn einer Insulintherapie assoziiert sein, wobei dann eine Überstimulation der Nerven stattfindet; geringe Sensibilitätsstörungen an den Beinen und ein normaler neurologischer Befund

Schmerzerfassung

Wie kann ich den Schmerz erfassen?

  • Durch: Äußerungen, Gesichtsausdruck oder Fragebögen des Patienten oder anhand von Schmerzskalen oder durch Beobachtung von einer vorhandenen Schonhaltung oder gar Funktionseinschränkung:

Was soll erfasst werden?

  • Ort des Schmerzes (möglichst genaue Lokalisation und wohin der Schmerz ausstrahlt) z.B. in der Wunde, in den linken Arm ausstrahlend, "Loslassschmerz"
  • Art des Schmerzes und wie sich der Schmerz äußert (akut, chronisch, neuropathisch; Beschreibung des Betroffenen: stechend, pulsierend, nagelnd, schießend, brennend, dumpf, bohrend, ausstrahlend...)
  • Zeitverlauf, Häufigkeit: Ist der Schmerz periodisch, anhaltend und wie lange dauert er? ; Beschreibung, in welchem Zusammenhang der Schmerz auftritt, z.B.: "Immer wenn ich meine Beine hoch lege, habe ich keinen Schmerz"; "solange ich aktiv bin, habe ich keine Beschwerden, doch sobald ich ein wenig zur Ruhe komme, pocht der Schmerz"; Wann? morgens, mittags, abends, nachts, beim Verbandswechsel, "wenn meine Beine von der Pflegekraft XY gewickelt werden"; "wenn Person XY das Zimmer betritt, habe ich diesen beklemmenden Schmerz in meiner Brust"...
  • Stärke: ein wenig beeinträchtigt mich nicht, mittel, stark, sehr stark, nicht mehr auszuhalten; wann ist die Schmerzintensität oder das Vorhandensein des Schmerzes am größten? - Zusammenhang möglichst auch hier herstellen!
  • Wann lassen die Schmerzen nach und was beeinflusst den Schmerz? Ist es in Zusammenhang zu bringen mit bestimmten Schmerzmitteln, Bewegungen, Ruhephasen...
  • Wie nimmt der Patient den Schmerz wahr? Stört es ihn? Welche Einstellung hat er zu diesem Schmerz?
  • Allgemein sollte man bei der Schmerzerfassung auch weitere Symptome beachten sowie den Allgemeinzustand, z.B. Mobilität, Motivation, Schlaf, Psyche, Krankheitsbilder

Schmerzprophylaxe

  • Es sollte eine Prophylaxe erfolgen, damit der Schmerz erst gar nicht entsteht, z.B. zeitgerecht vor dem Verbandswechsel eine Schmerzmittelgabe verabreichen oder ein Verbandsmaterial wählen, welches sich schmerzfrei (atraumatisch) entfernen lässt. Nicht immer ist die Prophylaxe von Schmerz jedoch so einfach durchzuführen.
  • Andere Prophylaxen versuchen, die Entstehung weiterer Schmerzen, z.B. als Nebenwirkung von Arzneimitteln, zu verhindern (z.B. die Gabe eines Magenschutzpräparates bei der Therapie mit Corticoiden).

Schmerztherapie

Die Schmerztherapie ist laut Stufenplan der WHO ausgerichtet nach:

  • by the ladder - die Schmerzskala ("Leiter")
  • by the clock - die Uhrzeit
  • by the mouth -bevorzugte orale Gabe von Medikamenten

Nicht medikamentöse Schmerztherapie

  • Zur Schmerzlinderung wird auch palliative Radiotherapie eingesetzt. Sie hat aber einer Studie zufolge nur bei 25% der Patienten die erhoffte Wirkung erbracht, so dass der Aufwand, die Lebensqualitätseinbuße im Verhältnis zum Nutzen streng abgewogen werden müssen[1].

medikamentöse Schmerztherapie

  1. Nichtopioide Analgetika
  2. Nicht steriodale Antirheumatika NSAR bei entzündlichem Schmerz (z.B. Voltaren®, Wirkstoff: Diclofenac)
  3. Metamizol (z.B. Novalminsulfon®) bei dumpfem, kolikartigen Schmerz
  4. Biphosphonate wie Clodronsäure (z.B. Ostac) bei Knochenschmerz
  5. Antidepressiva (Amitriptylin) und Antiepileptika (z.B. Gabapentin) als Koanalgetika bei neuropathischen Schmerzen
  6. Flupiritin (z.B. Katadolon) bei Schmerzen, die verbunden sind mit Muskelverspannungen
  7. zusätzliche medikamentöse Schmerztherapie z.B. durch Paracetamol, ASS (CAVE: nicht pre oder post OP!)
  8. schwache Opiodanalgetika plus zusätzliche Medikation plus unterstützende Maßnahmen
  9. stark wirksames Opioid plus zusätzliche Medikation plus unterstützende Maßnahmen
  • Lokalanästhesie bei kleineren Verbrennungen eignet sich z.B. sehr gut EMLA®-Salbe mit den Wirkstoffen Lidocain + Prilocain, wenn man sie mindestens 30 min. einwirken lässt.

Nebenwirkungen

siehe unter den entsprechenden Wirkstoffen

Allgemeines:

  • NSAR sollten nicht bei bestehenden gastrointestinalen Ulcera angewendet werden (können eine Blutung auslösen)
  • Opioide führen in der Regel nicht zur Abhängigkeit, wenn sie unter ärztlicher Kontrolle zur Schmerztherapie verwendet werden.Übelkeit und Erbrechen, Unruhe oder Benommenheit bis Somnolenz können bei Beginn der Therapie auftreten, Obstipation kann ein anhaltendes Problem darstellen, so daß weitere medikamentöse Interventionen nötig sein können. Seltener ist eine psychische Abhängigkeit; eine Atemdepression tritt meist nur bei einer Überdosierung auf.

Expertenstandard Schmerz vom DNQP

Literatur

  • Cora Mirow : Schmerzmanagement im Krankenhaus. Evaluation der Schmerzintensität bei postoperativen Patienten und deren Veränderung nach Einführung eines Schmerztherapiestandards. Dissertation 2009, LMU München (auch online verfügbar).

Einzelnachweise

Weblinks

Siehe auch