ICT: Ein Fallbeispiel

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Fallbeispiel zur Intensivierten Insulintherapie – ICT: 63jähriger Mann, postoperative Diab.Entgleisung, Schulung, Langzeiterfolge


Ein 63-jähriger, mobiler Typ II Diabetiker mit Hypertonie und HLP unterzog sich einer Hemikolektomie. Während des stationären Aufenthaltes wurde er mit Glimepirid (Amaryl®) therapiert. Entlassung am 9. postoperativen Tag nach Hause. Ab 10. Tag postoperativ treten Temperaturen bis 39 Grad Celsius auf und das Allgemeinbefinden verschlechtert sich drastisch.

Stationäre Wiederaufnahme: Der Diabetes ist entgleist. Die Entzündungsparameter sind am Aufnahmetag erhöht und steigen im Laufe der weiteren Behandlung massiv an. Fokussuche (Ursachensuche): Yersinia enterocolitica (Yersinien), IgA-Blot positiv. Bauch-CT: Kein Nachweis einer Abszedierung oder akut entzündlicher Veränderungen im Abdomen. Diagnose: Yersiniose mit sekundären reaktiven Gelenkbeschwerden.

Einleitung einer ICT mit gleichzeitiger Schulung des Patienten ab 1.Tag der stationären Einweisung. Es wird Protaphane® als Basisinsulin(14 I.E) und Actrapid® als Bolusinsulin verordnet. 12-14 BE (Broteinheit) bzw. KE (Kohlehydrateinheit) wurden gereicht. Nach Entlassung aus dem Krankenhaus setzt der Patient die ICT eigenständig fort: Nach einer 12-wöchigen Selbstbehandlung hat der Patient ein sehr gutes Behandlungsergebnis erreicht, eigene Zielwerte definiert und den BE –Faktor errechnet.

Die Ergebnisse

  • Der Langzeitwert HbA1c betrug vor Beginn der Insulintherapie 6,9 Prozent und sank auf 5,7 Prozent nach einer Behandlungsdauer von 8 Wochen. Nach einer Behandlungszeit von 32 Wochen ist der HbA1c bei etwa 5,6 konstant.
  • Nach 10 Wochen konnte die Basarate (Menge des Basalinsulins) von 14 auf 12 I.E. Protaphane® reduziert werden. Innerhalb des Bolusinsulins (Mahlzeiteninsulin) sank der Tagesbedarf an Actrapid® von 54 I.E. auf 26 I.E.
  • Die oft beschriebene nächtliche Unterzuckerung nach der Gabe von Protaphane® trat nicht auf. Diesbezügliche Kontrollmessungen nachts um 3 Uhr ergaben unbedenkliche Werte. Vorbeugend wurde bei Blutzuckerwerten um 22 Uhr von unter 6,0 mmol/l zusätzlich eine BE gegessen.
  • In der Einstellungsphase gab es zwei Unterzuckerungen (Hypoglykämie), die sich ab einem Wert um 3,5 mmol/l klinisch bemerkbar machten. Ebenso zwei gelegentliche „Hypos“ nach 32 Wochen, die durch sportliche Betätigung bedingt waren und durch die Gabe von 1 BE reine Glukose peroral sehr schnell korrigiert werden konnten.
  • Auf den Einsatz eines Analoginsulins wurde, trotz der besseren Steuerung und kürzeren Wirkung, wegen der bisherigen kontroversen Diskussion in der Wissenschaft durch den Patienten und den Hausarzt bewusst verzichtet.
  • Das Allgemeinbefinden des Patienten hat sich signifikant verbessert. Müdigkeit und Abgeschlagenheit sind verschwunden.
  • Der Patient ist mobil, gestaltet seine Mahlzeiten flexibel und führt ein völlig normales Leben ohne jede Einschränkung. Messen und Spritzen gehören zu seinem Leben. Er tut das gerne und in dem Bewusstsein, Folgeerkrankungen vermeiden zu können.

Die ICT ist das ideale Konzept für schulungsfähige, mobile Diabetiker, die an der Vermeidung von Komplikationen des Diabetes selbst mitarbeiten wollen. Das Bestechende daran ist die zeitliche Flexibilität der Mahlzeiten, auf die Diabetiker mit unregelmäßigem Tagesablauf angewiesen sind. Der Patient nimmt am DMP-Programm (Disease-Management-Programm) der Krankenkasse teil und versteht dieses zugleich als eine Herausforderung und eine Chance.

Zwei Jahre später: Der Patient ist weiterhin mobil und führt ein aktives Leben ohne Einschränkungen. Die Blutzuckerwerte bewegen sich zwischen 5 und 6,5 mmol/l, der HbA1c liegt kontinuierlich bei 5,7 Prozent. Er hat es gelernt, die BE zu schätzen und führt seinen Diabetes innerhalb der ICT weiter. Die Blutzuckerkontrollen wurden auf durchschnittlich täglich eine Messung reduziert. Nur bei Infekten und sportlicher Betätigung werden die Blutzuckerwerte öfter überprüft. Zwischenzeitlich ist eine milde Retinopathie aufgetreten, die halbjährlich vom Augenarzt kontrolliert wird und keiner Therapie bedarf.
Drei Jahre später: Keine Veränderungen: Der Patient ist weiterhin mobil und ist im Alter von 66 Jahren "angemessen sportlich unterwegs". Jährlich drei Reisen sind obligat. Als Fachautor ist er täglich auch intellektuell gefordert, wie auch als begeisterter Autofahrer. Die Blutzuckerwete (5 - 6,5 mmol/l) blieben auch weiterhin im Normbereich. Der HbA1c liegt zwischen 5,6 und 5,9 Prozent. Die milde Retinopathie ist weiterhin nicht behandlungsbedürftig. Blutzuckermessungen erfolgen nur noch übersichtsmäßig (alle zwei Tage ein Wert). Hypoglykämien traten nur sehr selten auf und wurden sehr frühzeitig klinisch bemerkt. Keine Anzeichen für Neuropathie. Der Patient ernährt sich fettarm, vorwiegend in Richtung mediterran. Es werden täglich 14 BE gegessen, die Mahlzeiten sind völlig variabel und werden durch variable Insulingaben ergänzt. Ein Basalinsulin wird abends 22 Uhr injiziert. Es wurde eine Struma multinodosa diagnostiziert, die mit Hormon und Jod behandelt wird. Unter dieser Therapie hat sich das Gewicht weiterhin stabilisiert (86 Kg bei einer Größe von 1,83).
Vier Jahre später: Weiterhin voll mobil. HbA1c bei 5,9 Prozent, die Blutzuckerwerte liegen zwischen 5,5 und 6,5 mmol/l: 22 Uhr bei 7,0 mmol/l. Dieser Anstieg wurde bewusst angestrebt, weil um 22:00 Uhr das Basalinsulin injiziert wird. Weiterhin keine Hypoglykämien. Augenbefund: Wie bisher Milde Retinopathie. Neu: Katarakt, der nur der Beobachtung bedarf. Pat. bemüht sich, den Blutzucker nicht unter 6 mmol/l absinken zu lassen. Der HbA1C liegt konstant bei 6,0 Prozent. Angestrebt wir nun ein HbA1c von 6,5%, da wissenschaftliche Untersuchungen vor einer zu großen Absenkung dieses Wertes warnen.
Fünf Jahre später: Augenbefund: Retinopathia Diabetica, weiterhin nur kontrollbedürftig. Keine Hypoglykämien. Blutzuckerkontrollen nur noch mehrmals wöchentlich. Aktuell: BZ 6,0 mmmol/l, HbA1c: 6,0%. Zunehmend Muskelschmerzen (Myalgie) und Muskelkrämpfe (evtl. Nebenwirkung von Simvastatin bzw. Magnesiummangel): Therapieversuch mit 300 mg Magnesium/d. Nach drei Wochen Besserung der Myalgien und Abnahme der Muskelspasmen. Ansonsten keine physischen bzw. psychischen Einschränkungen. Der Mann ist weiterhin sportlich aktiv.
Sechs Jahre später: Augenarzt: Beginnende Retinopathie, Glukose in Blut: Normalwerte unter Insulintherapie zwischen 5,5 und 6,5 mmol/l, keine Hypoglykämien, HbA1c: 6,1 (seit Jahren konstant). Körpergewicht regelrecht. Myalgien und Muskelspasmen bestehen weiterhin, jedoch keinerlei Einschränkungen innerhalb der ATL.
Nachkontrolle nach sechs Monaten: Augenbefund deutlich gebessert, nur noch Mikroaneurysmen. Patient und Augenarzt vermuten, dass dieser Umstand auf die konstant guten Blutzuckerwerte, die Umstellung der Ernährung in Richtung Obst, Gemüse und mediterane Kost beeinflusst wurde. Weiterhin wurden "Augenvitamine" und Antioxidantien zusätzlich eingenommen. Der Tagesbedarf von Actrapid konnte reduziert werden.

Interne Links zu Diabetes mellitus:

  1. Intensivierte Insulintherapie bei Diabetes mellitus-Typ-2
  2. Diabetes mellitus: Ernährung
  3. Die Intensivierte Insulintherapie bei Intensivpatienten
  4. Diabetes mellitus: Folgeerkrankungen

Externe Links

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