Apoplex

Aus Familienwortschatz
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Ein Schlaganfall oder der Zustand nach Apoplexie ist eine akute, plötzlich auftretende Durchblutungsstörung des Gehirns mit neurologischen Ausfällen auf einer Körperhälfte. Er ist eine sehr häufige Erkrankung und mit etwa 15 Prozent aller Todesfälle die dritthäufigste akute Todesursache nach dem Herzinfarkt und den bösartigen Tumoren. Etwa die Hälfte der an einem Schlaganfall-Erkrankten sterben innerhalb des ersten halben Jahres und von den Überlebenden sind 30% dauernd pflegebedürftig.

Andere Ausdrücke, Synonyme: Hirninfarkt, Hirnschlag, Apoplexie cerebri, apoplektischer Insult; engl.: stroke, cerebrovascular accident (CVA).

Epidemiologie

In der Bundesrepublik Deutschland treten pro Jahr 103.000 neue Schlaganfälle auf. Hierbei wurde die Dunkelziffer nicht berücksichtigt. Diese liegt Schätzungen zufolge zwischen 150.000 und 160.000 pro Jahr.

Einteilung

Die zerebralen Durchblutungsstörungen werden - je nach Schweregrad - in verschiedene Stufen eingeteilt.

  1. Asymptomatische Stenose (Stadium I): Hierbei handelt es sich um eine Gefässverengung, die jedoch zu keinen Symptomen führt.
  2. TIA (Stadium II): Die Transitorische ischämische Attacke ist eine vorübergehende Durchblutungsstörung des Gehirns und muss als Warnzeichen gedeutet werden; 10% aller Patienten erleiden innerhalb von einem Jahr danach einen kompletten Apoplex. Bei der TIA treten zunächst die gleichen Symptome wie bei einem kompletten Apoplex auf. Diese verschwinden jedoch wieder innerhalb von 24 Stunden (weitgehend).
  3. PRIND (Stadium IIb, frühere Unterscheidung): Das Prolongierte Reversible Ischämische Neurologische Defizit zeigt ebenfalls die gleichen Symptome. Hier halten diese über mehr als 24 Stunden an, bilden sich jedoch auch wieder völlig zurück. ( Beachte: PRIND als Stadium zwischen Hirninfarkt und TIA ist nicht mehr gebräuchlich)
  4. PS (Stadium III): Beim "progressive stroke" (= progressiver Schlaganfall) steigert sich die Symptomatik und ist nur teilweise reversibel.
  5. CS (Stadium IV): Beim "complete stroke" (= kompletter Schlaganfall = Apoplex) wird das Hirngewebe irreversibel geschädigt. -> Man spricht vom Hirninfarkt.

Mechanismen

Verschluss eines Gefässes durch einen Thrombus
Datei:Hirninfarkt.gif
ausfallendes Hirnareal bei Hirninfarkt
Datei:Hirninfarkt2.gif
Hirnblutung

Ein Apoplex kann durch eine Verstopfung eines Hirngefäßes oder durch eine Hirnblutung verursacht werden:

zerebrale Ischämie

(85% der Fälle): Hierbei führen verstopfte Blutgefässe zu einer Unterversorgung von Gehirnarealen mit Sauerstoff. Dies kann verschiedene Gründe haben:

  1. Thrombusbildung: bereits vorhandene Erkrankungen wie Arteriosklerose führen zu Rupturen an der Innenseite der Gefässwand. Wie bei jeder anderen Verletzung auch, bildet sich ein Thrombus. Da das Gefäss jedoch bereits verengt ist, kommt es nun zu einem Verschluss.
  2. Einschleppung eines Embolus über den Kreislauf: an einer anderen Körperstelle (meist die linke Herzkammer) bildet sich ein Thrombus, der sich löst, und in die Blutbahn gelangt. Auf diesem Weg gelangt er in die feinen Hirngefässe, wo er eine Verstopfung verursacht.
  3. selten: Arteriitis, Migräne, Hirntumor

intrazerebrale Blutung

(15% der Fälle): Hier führt eine Hirnblutung zur Zerstörung von Hirngewebe. Dies kann mehrere Ursachen haben:

  1. Massenblutung: Gefässe reissen auf. Hauptursache: Hypertonie
  2. Aneurysma| als Missbildung in der Gefässwand (Intima)
  3. Nach Trauma (Unfall) oder bei Gerinnungsstörungen (Gerinnungssystem)

Symptome

Je nach Schweregrad (siehe Formen) kommt es zu leichten bis sehr schwerwiegenden Symptomen. Meist treffen die Symptome auf der kontralateralen (gegenüberliegenden) Körperseite auf (z.B. Hirnschlag linke Hirnhälfte, Hemiplegie rechts). Die für die Pflege relevanten Phänomene sind hier kurz zusammengefasst:


  • Hirnleistungsstörungen: Vergesslichkeit, Konzentrationsverlust
  • psychische Veränderung: Labilität, Aggressivität, Anzüglichkeit
  • Apraxie: Störung der Handlungsabläufe (Patient weiss nicht mehr, was man der Reihe nach tun muss, um bspw. ein Streichholz anzuzünden)
  • Sensibilitätsstörungen (Dekubitusgefahr!!)
  • Parästhesien: anormale Körperempfindung wie Kribbeln und Einschlafen der Glieder, „Ameisenlaufen“
  • Plötzlich eintretende Bewußtseinsstörungen: Abwesenheit, Somnolenz bis hin zu Koma
  • Sprachstörungen bis hin zur kompletten Aphasie
  • Lähmungen: Paresen (insbes. Facialisparese), Hemiplegie (Halbseitenlähmung; vergl. Bobath-Konzept); ist anfangs schlaff und wird nach Tagen spastisch; betrifft die Lähmung auch Mund- und Rachenraum, kommt es zu Schluckstörungen
  • Neglect: Ignorieren einer Körperhälfte und das dazu gehörende Umfeld

Risikofaktoren

Nach der INTERSTROKE-Studie (sie umfasst 3.000 Schlaganfall-Patienten aus 22 Ländern — deutsche Beteiligung: Universität Essen), denen die gleiche Anzahl von Kontrollpersonen gegenübergestellt wurden) sind dies die zehn wichtigsten Schlaganfall-Risiken:

Diese fünf Risikofaktoren erklären für sich genommen bereits 80 Prozent aller Schlaganfälle.

Nimmt man die folgenden fünf Risikofaktoren hinzu, steigt der Erkklärungsanteil auf 90 Prozent:

(Diese Studie (INTERSTROKE) geht auf die Initiative von Salim Yusuf von der McMaster University im kanadischen Hamilton zurück. Alle Schlaganfälle wurden durch eine Computertomographie des Gehirns gesichert. )[1]

Therapie

Sofortmaßnahmen

  • Rettungsdienst / Notarzt rufen!! Europaweite Notrufnummer 112
  • Sofortige Einlieferung ins Krankenhaus, möglichst mit einer Stroke unit (Spezialabtlg. für A-Kranke)
  • Anamnese, Klinik
  • craniales CT
  • Stabilisierung des Kreislaufs, Verbesserung der Herzfunktion
  • bei Thrombotischen Verschluß: Lysetherapie (nur in den ersten 3-6 Stunden möglich)
  • bei hämorrhagischen Insult: eventuelle Hämatomausräumung
  • In Zukunft können Schlaganfall- und Herzinfarktpatienten möglicherweise vor massiven neuronalen Schäden bewahrt werden – neue, therapeutische Kühlsysteme sollen das Gehirn der Patienten erstmal auf Eis legen. Der Einsatz des Notarztes beginnt mit dem Griff zum Kühlgerät. Er verabreicht dem Herzinfarkt-Patienten per Intubation eine spezielle Eismischung ... weiter:

http://www.anint.de/index.php?option=com_content&task=view&id=701&Itemid=197

Weitere Diagnostik

  • Ursachen ermitteln mittels:
    • Gefässanamnese (Arteriosklerose, Aneurismen, etc.)
    • klinische Untersuchungen
    • Blutdruck- und Pulsuntersuchung (selten kann Hypotonie Auslöser für einen Apoplex sein)
    • Doppler- bzw. duplexsonographie (Ultraschall)
    • EKG
    • CT des Gehirns
    • ev. MRI
    • ev. Liquoruntersuchung
    • Elektroenzephalogramm, bei diesem diagnostischen Verfahren wird die Tatsache ausgenützt, dass das Gehirn elektrische Impulse aussendet. Diese werden durch Elektroden registriert und verstärkt. Die Frequenzwellen werden grafisch durch ein Wellenmuster wiedergegeben. Durch die Intensität und durch den Abstand lässt sich erkennen, ob pathologische Befunde vorliegen, oder nicht.
  • Risikofaktoren ermitteln:
    • Bluthochdruck
    • erhöhtes Cholesterin
    • Rauchen
    • Diabetes mellitus
    • Bettlägerigkeit
    • eingeschränkte Mobilität,die durch die Symptome hervorgerufen werden können:
      • Plegie(n)
      • Parese(n), Der Unterschied zwischen einer Plegie und Parese ist, dass eine Plegie (Paralyse) eine völlige Lähmung ist, und eine Parese nur eine teilweise Lähmung.
    • Arteriosklerose
    • geerbte Blutgerinnungsstörung wie Faktor V Leiden

weitere Therapie

Die weitere Therapie ergibt sich aus den ermittelten Ursachen und Risikofaktoren sowie der konkret vorliegenden Symptomatik.

  • gute Oxygenisierung: O2-Gabe
  • Blutdrucksenkung nur, wenn dieser sehr hoch ist (>220/120), da es einen gewissen Druck braucht, damit das Blut durch die verengten Gefäße kommt
  • Thromboseprophylaxe (wichtig, da Patienten Bettruhe haben, und die Gefahr eines zweiten Apoplexes besteht)
  • Blutzuckernormalisierung
  • Behandlung eines möglichen Hirnödems (durch gezielte Infusionstherapie oder eine Entlastungs-OP)
  • Behandlung aller Risikofaktoren
  • Prophylaxen der Komplikationen z.B.
    • Pneumonie
    • Dekubitus
    • Harnwegsinfekt
    • Kontraktur(en) etc.
  • Sekundärprophylaxe meist medikamentös mit

Rehabilitation

Nach der akuten Phase geht es darum, dass die Patienten verloren gegangene Fähigkeiten wieder erlernen. Teilweise können auch andere Regionen des Gehirns die Funktionen der ausgefallenen Bereiche übernehmen. Denn der neueste Stand der Forschung ist, das das Gehirn fähig ist, neue Nervenzellen, sprich Neuronen, zu bilden oder neue Verschaltungen zu den Hirnarealen auszubilden. (Hilfreich ist dabei auch die Arbeit der Physio-, Ergo- und Logopädie. Am wichtigsten ist jedoch, frühestmöglich mit der Pflege und Therapie nach dem Bobath-Konzept zu beginnen.

Zitat aus Intensivmedizin.com: "Strenge Bettruhe kann nach einem Schlaganfall mehr schaden als nutzen. Muskeln werden abgebaut, der Kreislauf geschwächt. Je früher Ärzte und Pfleger mit der Mobilisierung der Patienten beginnen, desto eher erlangen diese auch ihre Gehfähigkeit zurück. Darauf weist die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) anlässlich einer australischen Studie hin, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Stroke“ erschienen ist. Diese konnte den Erfolg der frühen Mobilisierung erstmals wissenschaftlich belegen. Demnach sollen Betroffene bereits in den ersten 24 Stunden nach dem Schlaganfall das Bett erstmals verlassen und sei es nur für einen kurzen Moment." [2]

Komplikationen

Viele der Komplikationen nach einem Apoplex treten auf Grund der Bettlägerigkeit auf. Hier kann durch gezielte pflegerische Interventionen am meisten erreicht werden. Mögliche Komplikationen sind:

  • Pneumonie: Auf Grund der mangelnden Durchlüftung der Lunge
  • Dekubitus: Auf Grund der Bettlägerigkeit und im Zusammenhang mit den Sensibilitätsstörungen
  • Harnwegsinfekte: Auf Grund der zum Teil eingeschränkten Blasen- und Nierentätigkeit
  • Kontrakturen, Spastiken: weil hemmende Signale (vom Hirn) fehlen, um die Tonusregulation des Rückenmarks zu kontrollieren
  • Gelenkversteifungen: Auf Grund falscher Lagerung und der fehlenden Aktivität
  • Muskelatrophien (Muskelschwund): da sich Muskelgewebe zurück bildet, wenn es keine Signale mehr erhält.
  • Epilepsien
  • Aphasie: Auf Grund von Zerstörung von Hirnarealen

Optimierte Versorgung, Schlaganfallstationen

Siehe unter

Für die Versorgung in den ersten Stunden und Tagen nach dem Apoplex-Ereignis wurden inzwischen landesweit spezialisierte Schlaganfallstationen (nach dem engl. Begriff Stroke Unit) eingerichtet.

Versorgung mit Hilfsgeräten

Noch während der Therapie muß die Versorgung mit den notwendigen Hilfsgeräten beginnen. Je nach Ausprägung werden verschiedene Hilfen für den Alltag zuhause benötigt, deren Benutzung besser unter Anleitung trainiert wird. An erster Stelle stehen der Einhänder-Rollstuhl (evtl. mit Therapietisch) und das Hilfsgerät für Küche und Essenseinnnahme. Damit soll eine weitgehende Selbständigkeit über weite Strecken des Tages ermöglicht werden. Je nach Ausprägung von Lähmungen kann auf einen Lifter zugegriffen werden, auch um Kontrakturen durch die magelnde Eigenbewegung zu vemeiden!

Konkrete pflegerische Ziele und Interventionen

Am wichtigsten ist die Vermeidung der Risikofaktoren durch: - eine gesunde Lebensführung - Nikotinkonsum sollte eingestellt werden - Gewichtsreduktion bei Adipositas - normale Blutzucker-,Cholesterin- und Blutdruckwerte - regelmässige Bewegung - Die Medikamente sollen nicht selbst abgesetzt werden.

Ein wichtiges Therapiekonzept ist das Bobath-Konzept Die Prinzipien sind:

-Regulierung des Muskeltonus

-Anbahnung von funktioneller Bewegung auf der Betroffenen Seite

-Verbesserung der Wahrnehmung

Weitere Pflegemaßnahmen

1.Zimmergestaltung

2.Prophylaxe des Schulter- Armsyndroms

3.Lagerungen

4.Unterstützung beim Kleiden

5.Unterstützung bei der Körperpflege

6.Unterstützung bei Bewegungen innerhalb und ausserhalb des Bettes

7.Unterstützung beim Essen

8.Unterstützung beim Ausscheiden

9.Unterstützen beim Kommunizieren

Siehe auch

Literatur

  • Jörg Braun, RolandPreuss, Klaus Dalhoff: Klinikleitfaden Intensivmedizin, Urban u. Fischer, München, 2005 - 6. Auflage, ISBN 978-3-4372-3760-7
  • Monika Krohwinkel: Der Pflegeprozeß am Beispiel von Apoplexie Kranken, Bundesministerium für Gesundheit. Schriftenreihe des BMG - Band 16, Bonn, 1993.
  • Klaus Poeck, Werner Hacke: Neurologie. Springer, Berlin, 2006 - 12. Auflage, ISBN 978-3-540-29997-4
  • Carina Schmelzle u.a: Gestern noch richtig - heute ein Pflegefehler? In: Pflegezeitschrift, Heft 4/2004, S. 233-236

Quellen, Zitatnachweise

  1. Dt. Ärzteblatt vom 21. Juni 2010, basierend auf Lancet 2010; 375: 10.1016/S0140-6736(10)60834-3
  2. DSG: Nach Schlaganfall sofort mit Physiotherapie beginnen, in http://www.anaesthesie-intensivmedizin.com/

Weblinks