Pflege eines sterbenden Menschen
Sterben bedeutet die Zeit des Überganges vom Leben in den Tod. Es ist dabei oft schwierig zu erkennen, wann das Sterben einsetzt (vergleiche Terminalphase und Finalphase), als auch den Zeitpunkt, an dem der Tod eintritt, zu bestimmen.
Sterben hat eine psychische, eine biologische, soziale und eine religiöse Dimension. Es unterscheidet sich deutlich vom Tod einer Person. Sterbebegleitung ist eine umfassende pflegerische Aufgabe, die nicht mit dem Tod der gepflegten Person endet.
Allgemeines
Im Vordergrund der pflegerischen und medizinischen Betreuung Sterbender steht das Recht auf einen möglichst friedvollen, schmerzfreien und würdevollen Todeseintritt. Daher sollen die Pflegemaßnahmen den Sterbenden nicht stärker belasten als die Beschwerden selbst. Prinzipien des pflegerischen Handelns sollten die Wahrung der menschlichen Würde und das Schaffen der in dieser Situation höchstmöglichen Lebensqualität sein. Dies geschieht durch:
- ständiges Prüfen der sich ändernden Bedürfnisse des Sterbenden (z.B. möchte der Sterbende auf einmal lieber alleine sein, auch wenn er vorher gern und viel Besuch empfangen hat)
- sorgfältige und regelmäßige Durchführung der notwendigen Prophylaxen, um zusätzliche Schmerzen und Beeinträchtigungen zu vermeiden; dabei ist die Notwendigkeit immer wieder kritisch zu hinterfragen
- Vermeidung unnötiger Anstrengungen für den sterbenden Menschen (z.B. auf Ganzwaschung oder Bettbeziehen verzichten)
- atmungserleichternde und bequeme Lagerung unter Einbeziehung der Wünsche und Bedürfnisse des Sternenden
- behutsame, bedürfnisgerechte Körperpflege.
Die Pflege ist immer weniger aktivierend, sondern immer mehr ausgleichend und "übernehmend" (kompensierend).
In der allgemeinen Pflege ist es umstritten, in wie weit auch Angehörige in dieser Situation Gegenstand der Pflege sind. Das Konzept der Palliative Care aber sieht die Einbeziehung des persönlichen Umfelds des Sterbenden eindeutig vor. Nach Möglichkeit sollten Angehörige in die Pflege miteinbezogen werden: in dem Maße, wie sie das selbst wollen, können und es ethisch vertretbar ist. Außerdem bedürfen Angehörige der psychischen Unterstützung in dieser auch für sie "kritischen" Zeit, eine gewisse "Pflege" der Angehörigen kommt letztendlich auch dem Sterbenden zugute.
Pflegeplanung
Die folgenden Formulierungen sind Beispiele, die bei der Pflegeplanung beim Sterbenden berücksichtigt werden können. Pflegeplanung ist prinzipiell eine individuelle Planung, sie muss immer wieder an die aktuelle Situation angepasst werden. Je nach Ausbildungsort kann bei der Pflegeplanung auch Wert auf ganz bestimmtes Vorgehen gelegt werden. Das ist hier natürlich nicht berücksichtigt. Pflegeziele sollten nicht zu allgemein oder unrealistisch formuliert werden, denn eine "intakte Haut" beispielsweise kann beim Sterbenden mit Wunden oder Dekubiti kaum erreicht werden.
Bei Maßnahmen sollte die Häufigkeit und Dauer möglichst konkret beschrieben werden. Das kann bei einer Pflegeplanung für die letzten drei, vier Tage eines Menschen vielleicht nicht so gemacht werden wie bei einer Routinesituation der Art "Mobilisierung nach Knie-OP". Dies ist zu berücksichtigen, wenn es hier heißt, Pflegeplanung ist auch bei einem sterbenden Menschen möglich und sinnnvoll.
PROBLEM DES BEWOHNERS | PFLEGEZIEL | PFLEGEMAßNAHMEN |
1. Der Bewohner hat Angst vor dem Sterben und dem Tod, | Der Bewohner kann seine Ängste und Bedürfnisse mitteilen. Er fühlt sich in seiner Umgebung geborgen |
|
2. Der Bewohner hat Angst, in seiner letzten Lebensphase allein zu sein. Er fühlt sich von seinen Angehörigen isoliert, oder hat keine Angehörigen | Der Bewohner ist nicht allein, er kann von Familie und Freunden Abschied nehmen |
|
3. Der Bewohner möchte wichtige Dinge vor seinem Tod erledigen (Testament, Aussprachen) | Der Bewohner kann Unerledigtes regeln |
|
4. Der Bewohner kann seinen religiösen oder spirituellen Bedürfnissen nicht nachkommen | Der Bewohner erhält den seelsorgerischen Beistand, den er sich wünscht |
|
5. pflegerische und medizinische Maßnahmen belasten den Bewohner | Der Bewohner muss keine vermeidbare Belastung oder Behandlung ertragen |
|
6) häufige körperliche Beschwerden: | ||
6.1. Der Bewohner hat Schmerzen (körperlicher Dauerschmerz) | Der Bewohner soll möglichst keine Schmerzen ertragen |
|
6.2. Der Bewohner leidet unter allgemeiner Schwäche | Aktivität ist gefördert, Schwäche wird vom Bewohner akzeptiert |
|
6.3. Der Bewohner leidet unter Appetitlosigkeit und vermindertem Durstgefühl | Bestmöglicher Ernährungszustand bleibt erhalten. Flüssigkeitszufuhr ist ausreichend |
|
6.4. Beim Bewohner kann sich durch Bewegungsmangel und Opiattherapie Obstipation entwickeln | Obstipationsprophylaxe |
|
6.5. Der Bewohner leidet an Übelkeit und Erbrechen | Belastungen werden gemindert | |
6.6. Die Mundschleimhaut des Bewohners kann austrocknen Die Augen sind verklebt. |
Hautzustände sind gut befeuchtet und läsionsfrei |
|
6.7. Der Bewohner kann Schluckbeschwerden entwickeln | Schluckreflex wird gefördert |
|
6.8. Der Bewohner ist unruhig, scheint verwirrt. Es besteht die Gefahr von Fremd- und Selbstgefährdung | Gefährdungen minimieren |
|
6.9. Der Bewohner leidet unter Schlafstörungen (psychisch, Schmerzen) | Schlafstörungen nach Möglichkeit ausschalten |
|
6.10. Der Bewohner hat Atemnot | Atmung erleichtern |
|
Siehe auch
- Die Rechte des Sterbenden
- Sinn finden im Werden, Sein, Vergehen
- die Grundsätze von Hospizen
- Fachweiterbildung für die Palliativ- und Hospizpflege
- Fortbildung Palliative Care
- Weiterbildungs- und Prüfungsverordnung
- Sterbebegleitung
- Sterbephasen nach E. Kübler-Ross
- Versorgung eines Verstorbenen
- Liverpool Care Pathway
- Präfinale Rasselatmung
- Symbolsprache Sterbender
- Abschied und Trauer
- Umgang mit Verstorbenen
Literatur
- Student, J.-C. (Hrsg.): Sterben, Tod und Trauer – Handbuch für Begleitende. 2. Aufl., Herder, Freiburg 2006
- Student, J.-C. & Napiwotzky, A.: Palliative Care. Thieme, Stuttgart 2007 ISBN 9783131429414