Pflege eines sterbenden Menschen

Aus Familienwortschatz
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Sterben bedeutet die Zeit des Überganges vom Leben in den Tod. Es ist dabei oft schwierig zu erkennen, wann das Sterben einsetzt (vergleiche Terminalphase und Finalphase), als auch den Zeitpunkt, an dem der Tod eintritt, zu bestimmen.

Sterben hat eine psychische, eine biologische, soziale und eine religiöse Dimension. Es unterscheidet sich deutlich vom Tod einer Person. Sterbebegleitung ist eine umfassende pflegerische Aufgabe, die nicht mit dem Tod der gepflegten Person endet.

Allgemeines

Im Vordergrund der pflegerischen und medizinischen Betreuung Sterbender steht das Recht auf einen möglichst friedvollen, schmerzfreien und würdevollen Todeseintritt. Daher sollen die Pflegemaßnahmen den Sterbenden nicht stärker belasten als die Beschwerden selbst. Prinzipien des pflegerischen Handelns sollten die Wahrung der menschlichen Würde und das Schaffen der in dieser Situation höchstmöglichen Lebensqualität sein. Dies geschieht durch:

  • ständiges Prüfen der sich ändernden Bedürfnisse des Sterbenden (z.B. möchte der Sterbende auf einmal lieber alleine sein, auch wenn er vorher gern und viel Besuch empfangen hat)
  • sorgfältige und regelmäßige Durchführung der notwendigen Prophylaxen, um zusätzliche Schmerzen und Beeinträchtigungen zu vermeiden; dabei ist die Notwendigkeit immer wieder kritisch zu hinterfragen
  • Vermeidung unnötiger Anstrengungen für den sterbenden Menschen (z.B. auf Ganzwaschung oder Bettbeziehen verzichten)
  • atmungserleichternde und bequeme Lagerung unter Einbeziehung der Wünsche und Bedürfnisse des Sternenden
  • behutsame, bedürfnisgerechte Körperpflege.

Die Pflege ist immer weniger aktivierend, sondern immer mehr ausgleichend und "übernehmend" (kompensierend).

In der allgemeinen Pflege ist es umstritten, in wie weit auch Angehörige in dieser Situation Gegenstand der Pflege sind. Das Konzept der Palliative Care aber sieht die Einbeziehung des persönlichen Umfelds des Sterbenden eindeutig vor. Nach Möglichkeit sollten Angehörige in die Pflege miteinbezogen werden: in dem Maße, wie sie das selbst wollen, können und es ethisch vertretbar ist. Außerdem bedürfen Angehörige der psychischen Unterstützung in dieser auch für sie "kritischen" Zeit, eine gewisse "Pflege" der Angehörigen kommt letztendlich auch dem Sterbenden zugute.

Pflegeplanung

Die folgenden Formulierungen sind Beispiele, die bei der Pflegeplanung beim Sterbenden berücksichtigt werden können. Pflegeplanung ist prinzipiell eine individuelle Planung, sie muss immer wieder an die aktuelle Situation angepasst werden. Je nach Ausbildungsort kann bei der Pflegeplanung auch Wert auf ganz bestimmtes Vorgehen gelegt werden. Das ist hier natürlich nicht berücksichtigt. Pflegeziele sollten nicht zu allgemein oder unrealistisch formuliert werden, denn eine "intakte Haut" beispielsweise kann beim Sterbenden mit Wunden oder Dekubiti kaum erreicht werden.

Bei Maßnahmen sollte die Häufigkeit und Dauer möglichst konkret beschrieben werden. Das kann bei einer Pflegeplanung für die letzten drei, vier Tage eines Menschen vielleicht nicht so gemacht werden wie bei einer Routinesituation der Art "Mobilisierung nach Knie-OP". Dies ist zu berücksichtigen, wenn es hier heißt, Pflegeplanung ist auch bei einem sterbenden Menschen möglich und sinnnvoll.

PROBLEM DES BEWOHNERS PFLEGEZIEL PFLEGEMAßNAHMEN
1. Der Bewohner hat Angst vor dem Sterben und dem Tod, Der Bewohner kann seine Ängste und Bedürfnisse mitteilen. Er fühlt sich in seiner Umgebung geborgen
  • Es wird nach Möglichkeit eine Bezugsperson ausgewählt.
  • Gesprächsbereitschaft signalisieren
  • Nonverbaler Kommunikation großen Stellenwert einräumen (z. B. die Hand halten; Geräusche, die durch die Anwesenden verursacht werden, empfindet der Kranke oft auch als angenehm)
  • Auf Signale und Äußerungen achten und diese nach Möglichkeit entsprechend berücksichtigen
  • Gesprächen über Sterben und Tod nicht ausweichen, diese aber auch nicht aufdrängen (Hier ist es erforderlich, sehr feinfühlig auf Äußerungen des Bewohners zu reagieren. Ausweichende Antworten, Halbwahrheiten oder Oberflächlichkeiten kann der Bewohner meist leicht erkennen, sie stören das Vertrauensverhältnis massiv.).
  • Fühlt sich die Pflegeperson zu solchen Gesprächen nicht in der Lage, sorgt sie für einen Kontakt zu Personen, die den Kranken diesbezüglich unterstützen können.
  • für eine dem Bewohner angenehme (ruhige) Atmosphäre sorgen
2. Der Bewohner hat Angst, in seiner letzten Lebensphase allein zu sein. Er fühlt sich von seinen Angehörigen isoliert, oder hat keine Angehörigen Der Bewohner ist nicht allein, er kann von Familie und Freunden Abschied nehmen
  • den Angehörigen jederzeit Besuchsmöglichkeiten einräumen (auch nachts)
  • Angehörige übernachten lassen bzw. über diese Möglichkeit informieren (Unterstützung dazu signalisieren)
  • nicht unnötig stören, wenn Angehörige zu Besuch sind.
  • den Angehörigen das Angebot machen, Pflegeaufgaben zu überlassen
  • den Bewohner möglichst nicht alleine lassen, insbesondere wenn keine Angehörigen da sind und der Wunsch nach Nähe besteht, ggf. ehrenamtliche Mitarbeiter einsetzen (Ambulanter Hospizdienst]
3. Der Bewohner möchte wichtige Dinge vor seinem Tod erledigen (Testament, Aussprachen) Der Bewohner kann Unerledigtes regeln
  • Entsprechend die Angehörigen verständigen / informieren
  • evtl. dringenden Termin mit Notar vereinbaren
  • ungestörte Atmosphäre schaffen
  • Erstellung eines Nottestaments (z. B. mit Hilfe der Heimleitung)
4. Der Bewohner kann seinen religiösen oder spirituellen Bedürfnissen nicht nachkommen Der Bewohner erhält den seelsorgerischen Beistand, den er sich wünscht
  • Bewohner (oder Angehörige) befragen, ob seelsorgerischer Beistand erwünscht ist, auf diesbezügliche Signale achten
  • Rituale des entsprechenden Glaubens tolerieren und ermöglichen (z.B. Krankensalbung)
  • bei Bedarf dem Bewohner vorlesen (z.B. Bibel) oder mit ihm beten (z.B. Texte aus dem „Gotteslob“, Psalter)
  • mit dem Bewohner Gespräche über religiöse oder spirituelle Fragen führen, ohne den Bewohner zu beeinflussen (z.B. eigene Vorstellung vom Tod)
5. pflegerische und medizinische Maßnahmen belasten den Bewohner Der Bewohner muss keine vermeidbare Belastung oder Behandlung ertragen
  • Grundsätzlich soll sich die Pflege (soweit möglich) an den Bedürfnissen des Bewohners orientieren (z.B. Überflüssiges oder Routinearbeiten weglassen)
  • Schmerzprotokoll führen, um dem Arzt eine optimale Schmerztherapie zu ermöglichen (diese orientiert sich an den Schmerzspitzen)
  • das Wissen um die Wünsche des Kranken hinsichtlich seiner Behandlung genau dokumentieren als eine Entscheidungshilfe für oder gegen einen Therapieabbruch
6) häufige körperliche Beschwerden:
6.1. Der Bewohner hat Schmerzen (körperlicher Dauerschmerz) Der Bewohner soll möglichst keine Schmerzen ertragen
  • zeitgenaue Gabe der schmerzlindernden Medikamente
  • auf Schmerzäußerungen achten (hilfreich ist ein Schmerzprotokoll), ggf. Absprache mit dem Arzt über Änderung der medikamentösen Schmerztherapie (evtl. Dosis steigern).
  • Linderung des Schmerzempfindens durch das Berücksichtigen von Wünschen und Bedürfnissen.
  • schmerzfreie Lagerung
6.2. Der Bewohner leidet unter allgemeiner Schwäche Aktivität ist gefördert, Schwäche wird vom Bewohner akzeptiert
  • Behandlungsplan mit dem Arzt absprechen (z.B. Gabe von Glucokortikoiden, diese fördern die körperliche Vitalität)
  • Bewohner motivieren, aktiv zu bleiben und sich nicht aufzugeben (z.B durch Gespräche oder Biografiearbeit).
  • Kräftesparendes Verhalten einüben
6.3. Der Bewohner leidet unter Appetitlosigkeit und vermindertem Durstgefühl Bestmöglicher Ernährungszustand bleibt erhalten.
Flüssigkeitszufuhr ist ausreichend
  • Absprache mit dem Arzt und dem Kranken über Behandlungsmöglichkeiten (z.B. Medikamente, PEG-Anlage, EnergyDrinks)
  • Lieblingsspeisen und/oder Getränke anbieten (Angehörige über Gewohnheiten befragen)
  • ggf. mit Küchenpersonal Rücksprache nehmen
  • Flüssigkeitszufuhr bilanzieren und Essverhalten dokumentieren
  • Trinkmenge nicht schematisch festlegen,sondern individuell anpassen (s.a. Flüssigkeitssubstitution).
  • Mundregion auf ausgetrocknete Schleimhäute beobachten (siehe 6.6.)
  • auf Schluckbeschwerden achten
6.4. Beim Bewohner kann sich durch Bewegungsmangel und Opiattherapie Obstipation entwickeln Obstipationsprophylaxe
  • Abführverhalten beobachten
  • auf Darmgeräusche achten
  • alternative Maßnahmen anbieten (z.B. ein lauwarmes Glas Wasser morgens, ballaststoffreiche Ernährung [z.B. Leinsamen], Buttermilch, Sauerkrautsaft, Trockenpflaumen)
  • Arzt über medikamentöse Unterstützung mit Laxantien befragen
6.5. Der Bewohner leidet an Übelkeit und Erbrechen Belastungen werden gemindert
  • Beobachtung des Auftretens, von Regelmäßigkeiten und Zusammenhängen (auf eventuelle psychische oder medikamentöse Auslöser achten).
  • Arzt über Beobachtungen informieren, ggf. medikamentöse Therapie anregen (z.B. MCP, Haldol® niedrigdosiert)
  • bei unstillbarem Erbrechen ggf. Magenablaufsonde legen
6.6. Die Mundschleimhaut des Bewohners kann austrocknen

Die Augen sind verklebt.

Hautzustände sind gut befeuchtet und läsionsfrei
  • gute Beobachtung der Mundschleimhäute
  • Mundpflege wird regelmäßig durchgeführt
  • möglichst häufig kleine Trinkmengen anbieten
  • Bei fehlendem Lidschlag 2 x tgl. Augensalbe oder mehrfach sterile NaCl 0,9%-Trpf. in die Augen einbringen, ggf. Uhrglasverband anlegen (nur wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen)
6.7. Der Bewohner kann Schluckbeschwerden entwickeln Schluckreflex wird gefördert
  • möglichst häufig kleine Trinkmengen anbieten (mittels Pipette oder 2 ml-Spritze verabreichen)
6.8. Der Bewohner ist unruhig, scheint verwirrt. Es besteht die Gefahr von Fremd- und Selbstgefährdung Gefährdungen minimieren
  • Bewußtseinslage beobachten
  • Gefahrenquellen ausschalten (z.B. Stolperfallen, Streichhölzer)
  • Vermehrte Kontrollgänge. Hierbei nach Bedürfnissen fragen („Möchten Sie zur Toilette?“), Gewohnheiten nachgehen und unterstützen (s.a. Agitiertheit).
6.9. Der Bewohner leidet unter Schlafstörungen (psychisch, Schmerzen) Schlafstörungen nach Möglichkeit ausschalten
  • Beobachtung des Tag-Nacht-Rhythmus
  • Art und Ursache der Schlafstörungen erfassen (Einschlaf-, Durchschlafstörungen, Lärm, usw.)
  • Ängste besprechen
  • Schmerzäußerungen beachten (siehe 6.I.)
  • Rituale durchführen (Gebete, Licht anlassen, „Betthupferl“)
  • Arzt hinzuziehen
6.10. Der Bewohner hat Atemnot Atmung erleichtern
  • Oberkörperhochlagerung
  • Bedarfsmedikamente und / oder Sauerstoffgerät sollten sich im Zimmer befinden, um den Bewohner nicht allein lassen zu müssen
  • Fenster öffnen
  • Bewohner durch Nähe beruhigen (z.B. Hand halten, Bewohner nicht alleine lassen und dieses auch ihm gegenüber äußern)
  • evtl. den Rücken einreiben, abklopfen (Atemstimulierende Einreibung)
  • Atemtypus dokumentieren

Siehe auch

Literatur

  • Student, J.-C. (Hrsg.): Sterben, Tod und Trauer – Handbuch für Begleitende. 2. Aufl., Herder, Freiburg 2006
  • Student, J.-C. & Napiwotzky, A.: Palliative Care. Thieme, Stuttgart 2007 ISBN 9783131429414

it:(Care_Palliative)